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Bild: stournsaeh / Adobe Stock

Feminismus für alle

26. Februar 2020

Warum eine intersektionale Perspektive nötig ist

1976 verklagten fünf schwarze Frauen in Missouri den Konzern General Motors wegen Diskriminierung. Denn lange hatte das Unternehmen gar keine schwarzen Frauen angestellt und später dann auch schnell wieder entlassen. Das Gericht jedoch ließ die Anklage fallen, mit der Begründung es seien ja Frauen und Schwarze im Unternehmen angestellt. Sexismus oder Rassismus seien demnach nicht zu erkennen. Allerdings waren lediglich weiße Frauen und schwarze Männer beschäftigt. Die kombinierte Diskriminierung der schwarzen Frauen wurde nicht anerkannt.

Diesen Fall führte Kimberlé Crenshaw in ihrem Essay „Demarginalizing the Intersection of Race and Sex” als Beispiel an, um ein Konzept zu definieren, dass bei der Gerichtsverhandlung damals eine neue Perspektive hatte aufwerfen können. Das Prinzip nennt sie Intersektionalität. Ein zunächst sperriger Begriff, der jedoch mit einer Analogie leicht zu erklären ist: Mehrfach marginalisierte Menschen erleben Diskriminierung wie Unfälle auf einer Verkehrskreuzung – im Englischen „intersection“. Mal sind Verkehrsteilnehmer*innen aus der einen Richtung schuld, mal aus der anderen, und dann passieren auch Unfälle, bei denen nicht ausgemacht werden kann, wer sie verursacht hat. Das heißt am Beispiel, dass schwarze Frauen Diskriminierung aufgrund von Rassismus oder Sexismus erfahren oder durch das Aufeinandertreffen beider Formen.

Intersektionalität kann also Mehrfachdiskriminierungen sichtbar machen, indem die Verschränkungen und Wechselwirkungen von verschiedenen Diskriminierungen betrachtet werden. Die Kreuzung lässt sich um verschiedene Kategorien wie Klasse, Alter, Behinderung, Religion, Aufenthaltsstatus oder Sprachkenntnisse erweitern. Weiter heißt es, dass alle Mitglieder von Gruppen nicht unbedingt immer die gleichen Erfahrungen teilen: Eine schwarze Frau kann andere Arten der Diskriminierung erfahren, als eine weiße Frau, eine Frau im Rollstuhl, eine Frau mit Kopftuch, eine lesbische Frau, eine transsexuelle Frau. Und doch sollten im Idealfall alle ihre Erfahrungen wahrgenommen werden.

Crenshaw war 1989 nicht die erste, die Intersektionalität anführt. Schon im 19. Jahrhundert kämpften Sklavinnen um die Anerkennung ihrer Mehrfachmarginalisierung. Und später nutzen vor allem schwarze Feministinnen Intersektionalität, um die Feminismusbewegung zu kritisieren. Diese sei meist von den Interessen weißer, heterosexueller, cis-gender Frauen geprägt.

Wie lässt sich also die Dominanz einer Sicht verhindern? Indem man sich umschaut, wer immer wieder in der Bewegung zu sehen und zu hören ist und wer nicht. Bei der Online-Suchanfrage nach feministischen Autorinnen sind die ersten Ergebnisse Alice Schwarzer und Simone de Beauvoir: wichtige Persönlichkeiten im Feminismus und weiß. Ein intersektioneller Ansatz ermöglicht, auszumachen, welche Gruppen es außer der dominierenden gibt und ihnen den Raum zu geben ihre eigenen Erfahrungen auszudrücken. Die größte Herausforderung ist dann, die verschiedenen Sichtweisen auch anzunehmen. Denn diese Selbstreflexion heißt im Zweifelsfall auch, dass man sich mit seinen eigenen Vorurteilen und Legitimationen von Rassismus, Klassismus, Homo- und Transphobie, Antisemitismus und Ableismus auseinandersetzen muss. Das ist schmerzhaft, aber notwendig. Sonst fordert man nicht Gleichberechtigung für alle Frauen, sondern nur für wenige. Intersektionalität ist eine Möglichkeit für Solidarität und gerechtere Bedingungen – wirklich für alle.


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Katja Egler

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