Wer mit Anne Grose durch Köln läuft, sieht die Stadt nach wenigen Minuten mit neuen Augen – denen eines aufmerksamen Fußgängers. Im Straßenalltag haben Fußgänger oft das Nachsehen, schlängeln sich im Großstadtgedränge vorbei an parkenden Autos. In den Straßen von Nippes lässt sich das gut beobachten: Fahrrad- und Fußgängerwege kreuzen hier teils wild durcheinander, Baustellen, Werbeaufsteller und anarchisch parkende Fahrräder versperren den Durchgang.
Grose zeigt auf Tische und Stühle, die mit einer Plane überdeckt auf dem Fußweg vor einer Pizzeria überwintern und so fast zwei Drittel des Weges einnehmen. „Zum Lagern der Tische ist das nicht in Ordnung“, erklärt sie, „die gehören in eine Lagerhalle“. Direkt daneben steht die Säule eines Verkehrsschildes, mittig auf dem Fußweg. „Warum stehen Schilder und Automaten, die sich an den Autoverkehr richten, auf dem Gehweg und nehmen Fußgängern den Platz weg?“, ärgert sie sich. Als Sprecherin der Kölner Ortsgruppe von Fuss e.V. ist es ihre Aufgabe, genauer hinzuschauen und sich für die Rechte von Fußgängerinnen und Fußgängern in Köln einzusetzen.
Köln auf dem letzten Platz
Das ist dringend nötig. In einer Untersuchung des ADAC im Jahre 2021 landete Köln unter den großen Städten Deutschlands auf dem letzten Platz in Sachen Fußgängerfreundlichkeit. Die Aufgabe ist also groß. Rund 50 Mitglieder hat die Kölner Gruppe, die 2020 als Ableger des bundesweiten Fachverbands für den Fußverkehr in Deutschland gegründet wurde. Die Arbeit sei hauptsächlich politisch, erzählt Grose. So sitzen Vertreterinnen und Vertreter in verkehrspolitischen Gremien.
„Fußgänger sind oft defensiv und sich ihrer Rechte nicht bewusst“, erklärt Grose. Kaum bekannt sei etwa, dass Gehwege 2,50 Meter breit sein müssen, um Platz für zwei sich begegnende Personen zu bieten. Viele der oft jahrzehntealten Fußwege seien für Rollstuhlfahrer, Rollatorennutzer, Fußgänger mit Kinderwagen oder schwer bepackte Menschen zu eng.
Chaos statt Begegnung
„Wie kann man die Veedelszentren, wo sich viele Menschen zu Fuß aufhalten, den Menschen zurückgeben?“, beschreibt Grose ihr Thema. So seien etwa die Neusser Straße und die Kalker Hauptstraße Räume der Begegnung, in denen unterschiedlichste Menschen aufeinandertreffen. Doch es gebe meist Verkehrschaos, statt entspannter und konsumfreier Aufenthaltsmöglichkeiten. Ein von langer Hand geplantes, zukunftsweisendes Konzept zur Verkehrsberuhigung der Neusser Straße, wurde, so Grose, im letzten Moment zugunsten der Autos „entschärft“. Ein großer Erfolg dagegen: die Ehrenstraße. Hier hat sich der Verein dafür eingesetzt, dass die beliebte Einkaufsstraße eine Fußgängerzone wird, das heißt: Fahrradfahrer sind Fußgängern untergeordnet. Auf Druck des Vereins wurde im März 2022 die ausgeschriebene Stelle des Fußgängerbeauftragten mit Nico Rathmann besetzt. Der sei allerdings ein „einsamer Kämpfer“, Düsseldorf beispielsweise habe ganze fünf Stellen in dem Bereich vorgesehen, erklärt Grose.
Anne Grose selbst wohnt in der autofreien Siedlung Stellwerk60 in Köln Nippes und hat bereits den Planungsprozess vor fünfzehn Jahren erlebt. Durch die Vereinsarbeit habe sie ihr Verhalten als aktive Verkehrsteilnehmerin noch einmal reflektiert. Daher fahre sie auch nicht mehr mit dem Fahrrad auf dem Gehweg.
VERKEHRSWEGE - Aktiv im Thema
fahrradklima-test.adfc.de/ergebnisse | Wer wissen will, wie fahrradfreundlich deutsche Städte sind, kann die interaktive Karte des ADFC zu Rate ziehen.
radkomm.de | Der „Think Tank für urbane nachhaltige Mobilität und Stadtentwicklung“ will zugunsten des Fuß- und Fahradverkehrs den Autoverkehr eindämmen.
changing-cities.org | Die „unabhängige Bewegung für die bessere Stadt“ setzt sich für eine bessere Mobilität, besonders fürs Fahrrad, ein.
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