Knapp 50 Jahre Bühnenerfahrung hat der deutsche Liedermacher Konstantin Wecker inzwischen vorzuweisen und ist zugleich wieder unheimlich aktuell. Mit seinem Album „Genug ist nicht genug“ gelang ihm 1977 der Durchbruch als Liedermacher. Dies war u.a. der Ballade „Willy“ zu danken, die einem fiktiven, von Rechtsradikalen erschlagenen Freund Weckers gewidmet war. Der Kampf gegen rechts zieht sich durch Weckers Karriere.
Da stellt sich die Frage, ob er heute eigentlich wieder politischer ist als noch vor einigen Jahren. „Ich glaube, ich werde wieder als politischer wahrgenommen, aber von meiner Seite aus hat sich in den letzten zehn bis zwanzig Jahren nicht so sehr viel verändert“, erzählt Wecker im Interview. „Natürlich wurde ich kurz vor der Finanzkrise vor fast 20 Jahren eher als Alt-68er abgestempelt, der zwar sein Publikum hatte, aber zu der Zeit nicht als politisch aktuell empfunden wurde. Mittlerweile spüre ich aber wieder verstärkt, dass Kunst Mut machen kann. Ich bekomme nach Konzerten häufiger die Rückmeldung, dass die Menschen, die vorher vielleicht das Gefühl hatten, in ihrem Engagement gegen rechts und für den Frieden alleine zu sein, danach Mut haben, weiterzumachen. So gesehen scheinen die Menschen in meinen Konzerten von der gleichen Sehnsucht getragen zu sein.“
Eigentlich wollte Wecker immer nur Liebeslieder schreiben, was ihm aber nur teilweise gelang. „Manchmal machen mich die Dinge einfach so wütend, dass ich mich einfach äußern muss“, sagt er zu seinen politischen Liedern, für die er berühmt ist. Zu den Dingen, die ihn auch heute wieder verstärkt beschäftigen, gehöre der deutlich sichtbare Rechtsruck in der Gesellschaft. „Wenn man sich überlegt, welch wunderbare Willkommenskultur noch vor ein paar Jahren in Deutschland herrschte. Und die Populisten haben sich schnell daran gemacht, diese zu zerstören und zu nutzen, um ihr völkisches Gedankengut zu verbreiten.“ Dass er sich zu diesen Themen musikalisch äußert, geschehe weniger bewusst, vielmehr würden ihm seine Lieder passieren.
Initialzündung seiner Karriere als Liedermacher sei der Wunsch, seine eigenen Texte zu vertonen, weniger eine bewusst politische Intention gewesen. Doch ist es nicht auch mit Vorsicht zu genießen, dass Musik, dass Kunst politisch ist? „Poesie ist in meinen Augen an für sich immer schon Widerstand. Eines meiner wichtigsten Themen ist genau das, dass Sprache nicht missbraucht werden darf. Worte sind immer Symbole und können niemals zu Ende interpretiert werden. Umso wichtiger ist es, dass man den Herrschenden nicht die Interpretationshoheit überlässt.“
Seit einigen Jahren widmet sich Konstantin Wecker in Form seines eigenen Labels, einer Straßenmusiker-Castingshow sowie als Dozent an den Hochschulen in Würzburg und Koblenz verstärkt auch dem musikalischen Nachwuchs. Dies lasse ihn hoffen, dass es auch in den nächsten Generationen politisch und gesellschaftlich engagierte Musikerinnen und Musiker geben wird: „Natürlich kommen zu mir nur Leute, die Ähnliches machen wollen wie ich auch. Ich sage ihnen auch direkt: ‚Wenn ihr singt, weil ihr ein Lied habt, dann kommt zu mir.‘ Wenn es darum geht, reich zu werden, sollen sie woanders hingehen. Ich würde nicht unbedingt sagen, dass die jungen Musiker, mit denen ich zu tun habe, alle politisch aktiv sind, aber sie haben alle eine eigene Meinung und ein gesellschaftliches Bewusstsein.“
„Weltenbrand“ heißt Weckers Programm, mit dem er im Herbst nach NRW kommt. Und genau der „Weltenbrand“, ein möglicher neuer Weltkrieg, sei es, was ihn aktuell am meisten umtreibt: „Für mich sind der drohende Faschismus und die Gefahr eines erneuten Weltenbrands die aktuell wichtigsten Themen. Und dabei ist mir unbegreiflich, welch unsägliche Dummheit dahinterstecken muss: Man kann alles nachlesen, was sich zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg zugetragen hat, welche Dinge zum Zweiten Weltkrieg geführt haben. Und dennoch sind die Menschen nicht klüger daraus geworden.“ Laut Weckers Theorie lasse sich die brisante politische Situation nicht vom Kapitalismus trennen: Die soziale Schere klaffe immer weiter auseinander und die weniger gut gestellten Menschen fühlten sich allein gelassen von den Besserverdienenden der Gesellschaft, von großen Konzernen und der Politik. Das mache es leicht für Rattenfänger. Dennoch ist Wecker kein völliger Pessimist: „Der Kapitalismus und auch das Patriarchat haben versagt, aber ich setze großen Hoffnungen in die jungen Frauenbewegungen wie beispielsweise ‚Fridays for Future‘.“
Das Programm „Weltenbrand“ wird Konstantin Wecker gemeinsam mit dem Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie präsentieren. Ein Projekt, das ihn besonders freut und ihn zurück zu seinen Wurzeln führt. Sein Vater war Opernsänger und so wuchs er mit Maria Callas, Renata Tebaldi und Jussi Björling auf: „Die Klassik ist meine musikalische Heimat. Während Reinhard Mey beispielsweise als Vorbild den französischen Chanson hat, so war es bei mir eine ganze Weile der Schubert Franzel. Erst mit achtzehn, neunzehn Jahren lernte ich dann die Musik von Janis Joplin kennen. Aber bis heute ist es so, dass ich die musikalischen Möglichkeiten mit Orchester tief im Herzen habe.“ Das Konzert verspricht spannend zu werden mit teils 40 Jahre alten Liedern, die heute aber wieder besonders aktuell sind.
Zum Schluss bleibt noch eine etwas andere Frage übrig, die geprägt ist von Weckers Vorliebe für die Literatur und seinem Text „Goethe und ich“ – mit welcher historischen Persönlichkeit würde Wecker heute gerne mal auf der Parkbank sitzen und über Gott und die Welt sinnieren? „Hannah Arendt“, sagt er da, ohne auch nur eine Sekunde überlegen zu müssen. „Ich finde diese Frau so toll: Sie besaß einen großen Intellekt, der aber immer auch angebunden war an das Herz. Sie war eine tapfere und eigenständige Frau. Und dann fände ich ein Treffen mit Mascha Kaléko wunderbar. Als Lyrikerin begleitet sie mich schon mein Leben lang. Zwei Texte von ihr habe ich auch vertont. Sie würde ich auch gerne treffen.“ Ein Treffen mit dem (lebenden) Konstantin Wecker ist aber auch nicht zu verachten!
Weltenbrand-Tournee | 10.11. Stadthalle Wuppertal
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