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Kasimirs Abschied vom Stahlwerk ist der Anfang vom Ende
Foto: Presse

Kein Hollywood im Bergischen Land

28. August 2014

Eine Metapher für den Untergang. Regisseur Frank de Buhrs Wuppertal-Film „Kasimir und Karoline“ – Auftritt 09/14

Hollywood im Bergischen Land sieht etwas merkwürdig aus. Nicht nur dass kein Schriftzug an den Berghängen leuchtet, auch die Locations für heimische Kinofilme kommen irgendwie von nebenan, nicht aus Übersee oder wenigstens Berlin. Die heruntergekommene Stadt Wuppertal ist der eigentliche Hauptdarsteller in „Kasimir und Karoline – Die Liebe fährt nicht Schwebebahn“ (90 min, D 2014). Ein Schelm, der dabei Böses denkt, hat doch die Stadt gerade ihr Theater abgeschafft. Eine bergische Talfahrt sondergleichen, was bleibt, ist die bekannte Straßenbahn auf der Hochtrasse und für die Theaterfreunde ein Kinofilm von Regisseur Frank de Buhr, den er mit dem alten Ensemble plus Ex-TheaterchefChristian von Treskow in der Stadt gedreht hat. Eigentlich sollte derÖdön-von-Horvath-Stoffein Theaterstück werden, doch irgendwie sind die Bühnen in Wuppertal abhandengekommen, und so fand man auf der Suche nach Alternativen viele Locations, die für diese Weltwirtschaftskrisen-Handlung eher auf Zelluloid als auf Holz zu bannen waren. Kurzerhand strickte man den Horvath mit denFilmemachern René Jeuckens und Grischa Windus von derSiegersbusch Filmproduktion auf Hollywood um. Schön düster, wie es in den späten 1920er Jahren sowieso auch war und mit vielen Statisten und eben der alten rumpelnden Schwebebahn, die jedes schulpflichtige Kind in NRW kennt.

Ein bisschen moderner sollte es aber schon sein, und so wurden die Ausgangsparameter etwas aufgepeppt. Aus dem Chauffeur ist erst einmal ein Stahlarbeiter geworden, das Oktoberfest findet in Kneipen, Pommesbuden und Clubs statt. In geduldigen Einstellungen wird die Arbeit zelebriert. Hier muss Heisam Abbas als Kasimir am Hochofen stehen und im flüssigen Metall stochern, hier gibt es Kamerafahrten über Stahlbänderrollen und Waschkauen. Als Kontrast dazu sitzt Karoline (Hanna Werth) im Büro im stromlinienförmigen Konzern (ausgerechnet Sparkassenhochhaus) über den Dächern der Stadt, hier hüpft auchvon Treskow als Landgerichtsdirektor Speer durch die Szenerie, die mit ziemlich langen Einstellungen thematisiert wird. Den Soundtrack liefert der Wuppertaler Christian Venn, der Werke Gustav Mahlers elektro­nisch verfremdet und so die Stimmung zwischen Traum und Wahn, zwischen Liebe und Enttäuschung untermalt.

Schick und adrett wartet Karoline dann auf das ersehnte Treffen mit ihrem Geliebten. Denn „Kasimir liebt Karoline. Und Karoline liebt Kasimir.“ Aber nur, bis er seine Arbeit verliert. Denn dann hört die Liebe auf. „Automatisch. Sagt er.“ Und unter dieser Prämisse wird das Pärchen zerbrechen. Wie bei Horvarth spielt Geld eine entscheidende Rolle – und natürlich das verlorene Selbstwertgefühl. Das beginnt schon als sich beide in die Nacht stürzen wollen, sie nach Düsseldorf, er nur noch in die Kneipe. Der Stahlarbeiterjob ist weg und die Angst vor der Zukunft da. Die Nacht wird ihre letzte gemeinsame sein. Vom „Bloomclub“ an der Alten Freiheitwagen sich beide in neue alte Abenteuer, und die Verstrickungen ziehen sie weiter auseinander, als es eigentlich nötig wäre. Schade eigentlich, aber das Ende ist ja wie bei Horvath vorher bekannt.

Karoline lernt den jungen Architekten Schürzinger (Jakob Walser) kennen, der so ganz anders ist als Kasimir, der mit ihr auf der Vespa durch die Nacht brettert, während die Schwebebahn sie oben überholt (eine der schönsten Einstellungen), der sie in die bessere Gesellschaft entführt, während Kasimir in die Kleinkriminalität abzudriften droht. Sein alter Kumpel, der Merkl Franz (großartig wie immer: „Liliom“ Thomas Braus) zieht ihn immer weiter in den Sumpf, in dem sich surreale Momente mit skurrilen Szenerien mengen – allein Franzens Mutter (An Khuon) ist schon sehenswert –, der Knastbruder Kasse machen will und dabei dummerweise erschossen wird (da denken die Filmemacher zeitgenössisch an Horvath vorbei) und Kasimir irgendwann an Erna (Julia Wolff) kleben bleibt, deren Schicksal seinem so ähnlich scheint. Nein, den Arsch kriegt er nicht mehr hoch, Karolines Kreise erreicht der Einfaltspinsel auch nicht mehr. Die düstere Nacht erreicht keinen sonnigen Morgen. Die Schwebebahn fährt ihren Takt, das Leben seinen.

„Kasimir und Karoline – Die Liebe fährt nicht Schwebebahn“ | R: Frank de Buhr | DVD erhältlich u.a. in der Mayerschen Buchandlung

PETER ORTMANN

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