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Lieber Fred,

19. Dezember 2013

engels-zungen 01/14 – Karl Marx

Fortsetzung des Briefs von Karl Marx aus Karlsbad vom 21.8.1875:
[…]

Nachdem ich Dir nun meine bis jetzt neu gewonnenen Einsichten in das Weltgetriebe in nuce mitgeteilt, einiges über meine Reiseerlebnisse.

In London stieg in unsren wagon in großer Hast ein pfiffig aussehendes Jüdel, mit einem kleinen Koffer unter dem Arm. […] Auf dem Schiff eröffnet mir das Jüdel sein Herz. „So eine Betriegerei ist noch nicht in der Welt gewesen“, rief er aber und abermals. Die Geschichte war die: Ein deutscher Yankee namens Börn- oder Bernstein, ihm empfohlen von seinem Berliner Freund Neumann, hat ihn um 1700 £ geprellt, ihn, der für einen der gescheidesten Handelsleit gilt! Dieser Bursche, der angeblich afrikanischen Handel treibt, zeigte ihm Rechnungen für viele 1000 £ Waren, die er in Bradford und Manchester gekauft bei den ersten Häusern; das Schiff damit liegt in Southampton. Er gab ihm darauf den verlangten Vorschuß. Da er aber weiter nichts von dem Mann hört, wird’s ihm bang. Er schreibt nach Manchester und Bradford, zeigt mir auch die Antwortsbriefe, des Inhalts: Der Börnstein habe bei ihnen Muster genommen und Waren gekauft, der Preis für beide sollte bei Abnahme der Ware gezahlt werden; die Rechnungen waren nur formell; Waren nie abgenommen worden. In Southampton wird Beschlag belegt und findet sich, daß die verschifften Waren des B. nur aus Ballen bestehen, die mit Strohmatratzen gefüllt sind. Unser Jüdel, den außer den 1700 £ noch vor allem ärgerte, daß man einen so geriebnen Handelsmann übers Ohr gehauen, schrieb an seinen Freund Neumann und an seinen Bruder in Berlin. Letzterer hatte ihm telegraphisch mitgeteilt, man habe den B. in Berlin entdeckt, Polizei benachrichtigt, die ihn überwache, er müsse sich flugsstreichs auf den Weg machen.

[…]

Und nun vale faveque [lebe wohl und bleib mir zugetan]. Ich muß wieder ins Geschäft. Besten Gruß an Madame Lizzy.

Dein Mohr

Marx, selbst jüdischer Herkunft, wie auch Engels verwendeten in ihren Briefen häufig abwertende Stereotype, um Juden zu charakterisieren. Oft aus einer Mischung aus Neid und Verachtung heraus, wie etwa gegenüber Ferdinand Lassalle.

Madame Lizzy ist Lydia Burns, Engels‘ Lebensgefährtin.

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