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Lieber Fritze!

01. September 2009

engels-zungen 09/09 - Max Joseph Becker

New-York d. 28/7 50

Du bist doch ein ordentlicher Kerl; ich sehe es täglich mehr ein; Du antwortest so prompt, so pünctlich, als ob Du gar nichts Anderes zu thun hättest.

[...]

Hier hast Du mein Lebensbild: Stell‘ Dir mich vor in dem Augenblick wo der letzte half dime verkneipt und für einen neuen half dime noch kein Credit erworben ist. Von Arbeit und Verdienst in einem bürgerlichen Gewerbe keine Rede trotz Stellengesuchen, Annoncen und Alledem. Alle Nachfragen en vain. Help yourself heißts da überall und nachdem mich die deutschen Hunde lange genug mit stets neuen Versprechungen und Hoffnungen zum Verhungern sattgefüttert hatten, entschloß ich mich endlich, ganz für mich allein zu sorgen; in der ersten halben Stunde war ich untergebracht: d.h. nicht in einem bürgerlichen Gewerbe sondern auf einer Farm, unter Tigern, unter Affen, Schildkröten und Schlangen. Indeß ich hatte mir vorgenommen, jede Arbeit anzunehmen und so machte ich mich denn auf die Sohlen meiner vom Genfer Unterstützungs-Commité gespendeten Schuhe, und marschierte gen Long-Island zu. Dort ist das Feld meiner Thätigkeit; es ist ein dorniges, voller Unkraut und namentlich bei Regenwetter bis zum Versinken schmutziges; dort wachsen keine Loorbeeren für mich, aber Pfeffer und Kohl und Kartoffeln für Andere. Seit 14 Tagen arbeite ich nun dort, pflanze Kohl, hacke Kartoffeln, streue Mist u.s.w. Von Morgens 5 bis Abends 8 Uhr stehe ich da im Felde, sonnenverbrannt, muskitozerstochen. Und mein Lohn ist 5 Dollar per Monat, mein Essen nicht zu verdauen, mein Lager der Heuboden. Wer’s nicht glauben will und zweifelt wie weiland der pfiffige Thomas, dem zeige ich wie der Citoyen Christus die Wundmale meiner Hände, auf daß er glaube. Und neben mir arbeiten noch viele zivilisirte Leute: tübinger Studenten der katholischen Theologie und Dresdener revolutionaire Privatsekretaire, schweizerische Dorfschulmeister mit Frau und 7 Kindern und Doctoren der Medizin, juris utriusque. – Kurz wir alle, die wir da arbeiten, sind zivilisirt, aber unser Farmer ist roher wie sein störrischster Ochse.

[...]

Adieu, nächstens mehr.

Dein M[ax] J[oseph] Becker

Quellenangabe:
Marx-Engels-Gesamtausgabe, Briefwechsel, Band 3, Berlin 1981, S. 605-607.

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