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Lieber General!

28. Juni 2017

engelszungen 07/17

Berlin W., den 6. Juni 1895

Du wirst unsere Karte, die wir von Freiung im Bayerischen Wald Dir sandten, erhalten haben. Am Abend vor Pfingsten trafen wir wieder hier ein. Die Partie war sehr schön, und waren wir die ersten Touristen, die über die bayerischen Waldberge dieses Jahr nach Böhmen kamen. Da es acht Tage zuvor heftig geschneit hatte, konnten wir einen derselben wegen zu vielen Schnees, der noch darauf lagerte, nicht übersteigen.

Das sind ja dumme Geschichten, die Dir passierten. Es war von der Hexe ein äusserst gescheiter Streich, dass sie einen Doktor heiratete; nun bist Du in vier Händen, wie Du sie besser nicht aussuchen konntest. Garantiert Dir etwas das ewige Leben, so diese Wahl. Von der Hexe ist es sehr liebenswürdig, dass sie mir so ein kleines Ding wie ihr Baby wünscht; ich habe aber an unserem Buben gefunden, dass damit nur die Frauen fertig werden können. Ab und zu eine halbe oder ganze Stunde ja; aber den ganzen Tag, da muss man ein Engel sein, wie es unsere Frauen sind, um das auszuhalten. Übrigens geht durch das ganze Mitteleuropa und die angrenzenden Länder ein on dit, wonach die Hexe so stark geworden sein soll, dass sie Mühe hat, zur Türe hereinzukommen. Ist das wahr?

[…]

Wir hoffen, dass Dir der Aufenthalt an der See recht gut bekommt und Du wieder mit den alten Kräften nach London zurückkehren wirst. Ich werde Anfang August nach Zürich gehen, während Julie schon Mitte nächsten Monats fort will. Ihr Herr Schwiegersohn lässt ihr keine Ruhe, der will partout, dass sie so bald als möglich kommt. Um sie zu gewinnen, schreibt er, dass sogar Buby heisse Tränen vergossen, als er gehört, dass seine Grossmama noch zögere zu kommen. Es hätte freilich nicht solcher Pressionsmittel bedurft, um die Schwiegermama mürbe zu machen. Wäre ich nicht, so wäre sie das ganze Jahr in Z.

[…]

Herzlichen Gruss von Julie und mir, und ist Laura bei Dir, so bitte ich, sie ebenfalls von uns zu grüssen.

Dein August [Bebel]

Louise Kautsky-Freyberger („Hexe“) war in Engels‘ letzten Lebensjahren seine Vertraute, Sekretärin und schließlich auch Testamentsvollstreckerin. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Arzt Ludwig Freyberger, und ihrem Kind lebte sie im Haus von Engels. Seit Ende 1894 verschlechterte sich Engels‘ Gesundheitszustand, worauf Bebel hier anspielt. Engels starb am 5. August 1895 an Kehlkopfkrebs.

August Bebels Briefwechsel mit Friedrich Engels, hg. von Werner Blumenberg, London, The Hague, Paris 1965, S. 800-803.

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