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„Man muss immer am Anschlag sein“

26. September 2013

Frank de Buhr über seine Inszenierung „Die Frau, die gegen Türen rannte“ im Wuppertaler Café ADA – Premiere 10/13

Der Monolog „Die Frau, die gegen Türen rannte“ basiert auf einem Roman des irischen Schriftstellers und Booker-Preisträgers Roddy Doyle. In ihm erzählt der Autor die Geschichte der alkoholsüchtigen Paula Spencer aus Dublin, 39 Jahre alt. Doyle beschreibt hier den typischen Underdog jener britischen Unterschichtsgesellschaft, dem das Wort „Loser“ von Geburt an auf die Stirn gebrannt zu sein scheint. Vollkommen unsentimental und fernab jeglicher moralischen Attitüde schildert Doyle den Bewusstwerdungsprozess einer Trinkerin in harter Bodennähe, der sich zu einer präzisen Milieuschilderung verdichtet. Interessanterweise kann in der Wuppertaler Inszenierung während der Aufführung auch etwas getrunken werden.

engels: Herr de Buhr, ist das britische Stück auch exemplarisch für eine deutsche Unterklasse?
Frank de Buhr:
Ja. Das ist auch insofern eine interessante Frage, weil ich mich bei Ausstattung und Kostüm ganz bewusst gegen das Unterklasse-Milieu entschieden habe. Auch gegen ein „Unterklassen-Genuschel“. In Wuppertal steht eben eine wunderschöne Frau, die auch aus der Oberklasse spaziert sein könnte, die genauso alkoholabhängig ist und genauso von ihrem Ehemann geschlagen wird wie die Frau aus dem britischen Ghetto. Insofern ist das programmatisch für alle Schichten.

Wie wichtig ist der Raum für die Inszenierung?

Frank de Buhr
Foto: Claudia Kempf


Frank de Buhr ist geboren in Niedersachen, hat Theater- und Medienwissenschaften, Psychologie und Pädagogik an der FAU Erlangen studiert. Anschließend nahm er Arbeiten bei Film und Fernsehen im Bereich Aufnahmeleitung an sowie erste Regiearbeiten in Erlangen und Paris. 2010 bis 2013 ist er Regieassistent an den Wuppertaler Bühnen. „Die Frau, die gegen Türen rannte“ ist die zweite Regiearbeit von Frank de Buhr in Wuppertal. In der letzten Spielzeit inszenierte er bereits erfolgreich „wohnen.unter glas“ im Kleinen Schauspielhaus.

Wir haben den Raum sehr reduziert. Die Schauspielerin Julia Wolf wird auf zwei mal zwei Metern spielen. Der Raum ist insofern nicht unwichtig, dass er eben nicht da ist. Dass derjenige, der den Monolog führt, keinen Raum hat, wo er sich verstecken kann, wohin er fliehen kann, sondern er quasi ausgestellt ist und sich dem Publikum stellen muss, mit seiner Geschichte.

Steht die Schauspielerin dann mitten im Café ADA oder in einem separaten Bereich?
Es gibt oben einen Raum, der für alle möglichen Veranstaltungen genutzt wird, da wird getanzt und Kleinkunst veranstaltet, oder es finden Konzerte statt, dort werden wir auch spielen.

Ist der Spielort eine Notlösung, weil in Wuppertal das Theater geschlossen wurde?
„Notlösung“ würde ich auf gar keinen Fall sagen. Ich finde es toll, dass wir rausgehen in die Stadt und auch andere Spielorte erforschen, auch dezidiert Nicht-Theaterräume. Und für einen Trinkermonolog bietet sich eine Bar einfach an.

Warum Julia Wolf?
Ich habe mit Julia bei „wohnen. unter glas“ zusammengearbeitet und habe sie da sehr schätzen gelernt. Sie ist wie geschaffen für die Rolle. Julia ist sehr facettenreich und sie spielt die Trinkerin, die Heilige genauso wie die Hure oder die geschlagene Frau.

Aber sie ist keine Alkoholikerin?
Um Gottes Willen: nein! (lacht). Das nicht. Aber wir haben viel über Süchte gesprochen, auch andere. Dazu kamen Erfahrungen aus dem Bekanntenkreis, der Familie oder Menschen, die man aus der Schule kannte. Alkoholismus ist nicht die einzige Sucht, die uns umtreibt. Trotzdem sind die Mechanismen und das Verhalten – ganz egal bei welcher Sucht – alle sehr ähnlich.

Was ist besonders aufwändig bei der Inszenierung eines Monologs?
Kraft und Konzentration – für den Schauspieler. Der muss diesen Abend tragen. Man muss immer am Anschlag sein, 100 Prozent geben und darf sich eigentlich keine Verschnaufpause gönnen. Es gibt keinen Partner, an den man sich halten kann. Du musst ständig dranbleiben, auch ständig am Publikum bleiben. Es gibt keine Chance, sich hinter einer Vierten Wand zu verstecken und Sachen mit einem Partner zu verhandeln, sondern das Publikum ist der Partner, mit dem muss ich sprechen und von dort muss ich auch meine Energie beziehen. Das sind die Herausforderungen bei einem Monolog.

Und die Choreografie der Person?
Sie bewegt sich natürlich sehr viel, aber ich würde das nicht wirklich eine Choreografie nennen. Also nicht in dem Sinne, dass ich vorgebe, du tanzt hier jetzt was vor. Das entsteht eigentlich ganz automatisch aus dem Raum und aus der Situation.

Gibt es bei einem Monolog zwangsläufig viele Requisiten?
Ich bin ein großer Gegner von vielen Requisiten. Wir werden das auf ein Minimum beschränken, und selbst die, die wir haben, werden wahrscheinlich kaum bespielt werden. Es wird zwar den ganzen Abend über eine Schnapsflasche auf dem Tisch stehen, aber die wird niemals angefasst. Bisher arbeiten wir, glaube ich, mit einem Requisit und sind schon halb durchs Stück. Also ich finde, Requisiten sind wie Krücken, hinter denen man sich zu verbergen sucht. Das darf bei einem Monolog nicht passieren. Da muss ich pur sein.

Man braucht auch nicht zwangsläufig eine Tür?
Nein. Braucht man auch nicht. (lacht) Gegen die sie ständig läuft? Nein, auf gar keinen Fall.

„Die Frau, die gegen Türen rannte“ I Premiere Do 24.10. 20 Uhr I Café ADA, Wuppertal

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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