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Macht auch im Nachthemd eine gute Figur: Max von Thun in „Sommer der Gaukler“.
Foto: Presse

„Mein Vater war wegen mir sehr nervös“

06. Dezember 2011

Max von Thun über „Sommer der Gaukler“, seine bayerischen Wurzeln und seinen Vater Friedrich von Thun – Roter Teppich 12/11

Der 1977 unter dem komplizierten Namen Maximilian Romedio Johann-Ernst Graf von Thun und Hohenstein als Sohn des Schauspielers Friedrich von Thun geborene Mime hat sich mittlerweile als „Max von Thun“ ebenfalls ins Licht der Öffentlichkeit gespielt. Nach kleineren Rollen in „Die Verbrechen des Professor Capellari“ oder den Kinofilmen „Samba in Mettmann“ und „Mädchen Mädchen 2 – Loft der Liebe“ startete der leidenschaftliche Musiker mit Filmen wie „In der Welt habt ihr Angst“ oder „Die Tänzerin – Lebe deinen Traum“ richtig durch. Derzeit ist er im Kino gleich doppelt vertreten, in „Sommer der Gaukler“ und „Rubbeldiekatz“.

engels: Herr von Thun, „Sommer der Gaukler“ ist, wie die meisten Filme Marcus H. Rosenmüllers, tief im Bayerischen verwurzelt. Sie selbst sind in München geboren – wie wichtig sind Ihnen Ihre bayerischen Wurzeln?
Max von Thun:
Die Frage kann ich auf zweierlei Weise beantworten. Ich bin kein glühender klassischer Aristokrat, aber ich habe, wie ich finde, eine relativ aufregende Familienchronik. Die beginnt aber im 12. Jahrhundert in Südtirol und spielt sich größtenteils in Österreich ab. Das ist auch ein Teil von mir. Und im Hier und Heute bin ich leidenschaftlicher Münchner, weil ich finde, dass München die tollste Stadt in Deutschland ist. Aber auch mit dem Nebensatz angefügt, dass ich oft genug rauskomme, um nicht von der kleinen Welt, die München bietet, erdrückt zu werden, sondern um immer wieder Impulse von anderen Städten zu bekommen und dann wieder nach München zurückzukommen. Ich drehe sehr oft in Berlin, und dort ist das immer wieder ein Thema. Die Berliner haben ein merkwürdiges Bild von München, und wenn man dann auch noch FC-Bayern-Fan ist, dann hat man dort schon ein schweres Standing, aber das genieße und kultiviere ich auch mehr und mehr (lacht).

Mit welchen Münchener Gepflogenheiten können Sie sich denn gut identifizieren, außer dem FC Bayern?
Das kann ich schwer beantworten, das weiß ich gar nicht. Aber ich schätze an München die Nähe zu den Bergen, das schöne Umland, denn ich bin leidenschaftlicher Motorradfahrer. Ich kann mich hier aufs Motorrad schwingen und bin in zehn Minuten an irgendeinem See. Ich schaue von meiner Wohnung auf die Isar und sehe die Berge, das finde ich alles sehr schön. München hat eine sehr hohe Lebensqualität. Aber ich weiß jetzt nicht, was den typischen Münchner ausmacht oder was der so in seiner Freizeit macht. Wenn es nach den Berlinern geht, dann fahren wir alle mit dem Porsche ins P1 und trinken Champagner. Das entspricht nicht ganz der Realität, die ich so kenne.

Ihre Figur, der Emanuel Schikaneder, ist ja eine historische Person. Wussten Sie im Vorfeld schon etwas über ihn oder mussten Sie sich ein wenig einlesen in die Thematik?
Ich wusste erschreckend wenig, aber ich habe auch festgestellt, dass die Leute in meinem Freundeskreis ebenfalls erstaunlich wenig wussten. Ich habe mir dann Literatur besorgt, muss aber dazu sagen, dass wir uns im Film zwei Wochen aus seinem Leben herausgepickt haben, und die meiste Literatur, die ich zu Schikaneder gefunden habe, befasst sich eigentlich mit der Zeit, die nach unserem Film erst folgt: Seine Zeit in Wien und sein kreatives Schaffen dort. Über seine Jugend gibt es relativ wenig. Bei diesem Film habe ich aber schnell gemerkt, dass es gar nicht so relevant ist, die Fakten genau zu kennen, weil wir uns die Freiheit genommen haben, das alles sehr lose und frei zu interpretieren. Marcus Rosenmüller wollte hier Fiktion mit wahren Begebenheiten kombinieren und das so verwischen, dass man hinterher gar nicht mehr weiß, was eigentlich stimmt und was nicht.

Offensichtlich wird, dass Schikaneder ein leidenschaftlicher Theaterschauspieler war. Sie haben nun schon länger nicht mehr auf der Bühne gestanden. Hätte das künftig doch mal wieder einen Reiz für Sie?
Ich kann sehr gut nachvollziehen, wenn Kollegen das Unmittelbare beim Theaterspielen suchen. Sprich: Dass man vor einem Livepublikum spielt, dass man chronologisch spielt, dass man sich irgendwie anders in die Geschichte fallen lassen kann, wenn man das Ganze an einem Abend erlebt und nicht, wie beim Film, nur zwei, drei Szenen an einem Tag, die auch noch aus dem Zusammenhang gerissen sind. Theater ist aber auch sehr zeitaufwändig. Ich habe irgendwann für mich versucht, dieses Gefühl, live vor einem Publikum auf einer Bühne zu stehen, über meine Musik zu erreichen. Jetzt habe ich leider dieses Luxusproblem, dass ich in den letzten drei Jahren sehr viel gedreht habe, und dadurch kam die Musik viel zu kurz. Ich würde es trotzdem nicht ausschließen, Theater zu spielen. Es ist natürlich eine andere Form des Spiels, man muss auch noch für die letzte Reihe mitspielen. Beim Fernsehen oder beim Kino hat man eine Kamera manchmal so nahe am Gesicht, dass ein kleines Zucken mit der Augenbraue schon etwas erzählt. Ich finde beides reizvoll, aber für mich stellt sich momentan nicht die Frage, weil man mir im Theaterbereich nichts anbietet und ich mich auch, ehrlich gesagt, nicht darum kümmere, Theater zu spielen. Insofern will ich es in keinster Weise ausschließen, aber es ist derzeit auch nichts dahingehend geplant.

Da Sie gerade auch Ihr zweites Standbein, die Musik, ansprechen: Gibt es Pläne, mit Ihrer Band „77“ eine zweite Platte herauszubringen?
Diese Pläne gibt es schon lange, aber ich finde nicht die Zeit dazu. Die Ramones haben ihre erste Platte in vier Tagen aufgenommen, das geht auch irgendwie, aber das muss nicht sein. Ich möchte mir dafür Zeit nehmen und möchte im Studio Sachen ausprobieren und vielleicht auch neue Songs in einem kreativen Schaffensprozess entstehen lassen. Dafür braucht man schon ein bis zwei Monate, und diese Zeit habe ich im Moment nicht, leider oder Gott sei Dank, ich weiß gar nicht, wie man das dann sagt. Aber das ist durchaus ein Plan und Wunsch, dass es mit meiner Musik auch weitergeht. Ich würde das jetzt aber auch gar nicht zwingend als zweites Standbein bezeichnen, das ist eine Leidenschaft von mir, die ich schon lange in mir trage und die ich versuche, so gut es geht und so oft es geht, auszuleben. Das geht eben mal besser und mal schlechter. Man kann auch nicht sagen, dass wir mit unserer ersten CD „Tokio Hotel“ oder so jemandem ernsthaft Konkurrenz gemacht hätten, was die Verkaufszahlen angeht. Ich könnte nicht von der Musik leben.

Im nächsten Jahr wird der Fernsehfilm „Ein weites Herz“ zu sehen sein, in dem Sie zum ersten Mal seit Jahren wieder gemeinsam mit Ihrem Vater Friedrich vor der Kamera gestanden haben. Wie arbeitet es sich denn mit ihm, ist das anders als mit anderen Kollegen?
Dazu muss ich zunächst einmal sagen, dass wir vor neun Jahren einmal zusammen gedreht haben, und damals war das für mich wahnsinnig anstrengend, weil mein Vater wegen mir sehr nervös war. Er hatte Angst, dass ich etwas falsch oder schlecht mache oder dass ich es eigentlich besser machen könnte. Und das führte dazu, dass wir regelmäßig abends im Hotelzimmer Szenen für den nächsten Tag durchgegangen sind. Er hat das immer so verkauft, als ob wir dadurch den Text üben würden, aber im Grunde hat er dabei schon angefangen, zu inszenieren, damit ich am nächsten Morgen ein bisschen sicherer sein konnte. Das fand ich wahnsinnig anstrengend. Mittlerweile ist es so, dass ich nun schon einiges gemacht habe und mein Vater mich als vollwertigen Kollegen wahrnimmt. Bei „Ein weites Herz“ war es nun so, dass wir zufällig erfahren haben, dass wir beide darin mitspielen. Wir bekamen in der letzten Zeit immer wieder Sachen angeboten, in denen wir beide zusammen hätten spielen sollen, die uns dann aber nicht gefallen haben und die wir abgesagt haben. Diesmal war es so, dass wir uns zum Mittagessen trafen und ich ihm von einem tollen Drehbuch erzählte, dass ich gelesen hatte, dessen Titel mir in dem Moment aber nicht mehr einfiel. Also habe ich die Geschichte erzählt, und er sagte: „Da bin ich auch dabei, da spiele ich den Vater.“ Es gab dann allerdings während der ganzen Dreharbeiten keine einzige Vater-Sohn-Szene, in der wir zu zweit einen Dialog hatten. Es gab viele Familienszenen, in denen meine Filmschwester Nadja Uhl und meine Filmmutter Iris Berben mit uns zusammen am Tisch saßen und über Dinge redeten, aber es gab in dem Sinn keine separate Dialogszene zwischen uns. Deswegen kann ich schwer etwas über unsere Zusammenarbeit sagen, aber es war einfach schön, dass wir immer wieder zusammen am Set waren. Wir arbeiten beide sehr viel, versuchen dabei zwar, uns so oft es geht zu sehen – es könnte aber schon noch öfter sein. Nun hatten wir die Gelegenheit, uns tagsüber am Set zu unterhalten und abends noch zusammen essen zu gehen, weil wir im gleichen Hotel wohnten. Das war sehr schön.

Hat er Sie denn von Anfang an zu Ihrer Schauspielerlaufbahn ermutigt, oder war er da eher zögerlich?
Weder noch. Meine Eltern haben sowohl mir als auch meiner Schwester immer versucht, das Gefühl zu geben, dass sie uns in allem, was wir versuchen und was wir machen wollen, unterstützen. Ich habe schon als kleines Kind gesagt, dass ich Schauspieler werde. Im Kindergarten ging es dabei aber eher darum, nicht wie alle zu sagen „Ich werde Feuerwehrmann“, sondern ich fand es schick, zu sagen, dass ich Schauspieler werde. Dann wollte ich Regie machen und habe auch sozusagen hinter der Kamera angefangen, beim Film zu arbeiten. Zunächst mit Praktika, später dann als Regieassistent, und während dieser Zeit habe ich auch kleine Rollen vor der Kamera übernommen. Beispielsweise im „Tatort“ den Polizisten, der zu den Kommissaren kommt und sagt: „Kollegen, das müsst ihr euch unbedingt anschauen“ – und dann wieder rausgeht: Solche Sachen, die mir aber einfach sehr viel Spaß gemacht haben. Dann habe ich mir eine Agentur gesucht und mir gesagt, ich versuche das einfach mal als Schauspieler. Seitdem kann ich gut davon leben, ich bin da irgendwie so reingestolpert. Es war jetzt nicht so, dass ich seit meinem zehnten Lebensjahr gesagt hätte, ich möchte Schauspieler werden und wir dann zu Hause besprochen hätten, was dafür die richtige Herangehensweise wäre. Insofern hätte auch niemand etwas dagegen sagen können. Das passt aber auch nicht zu meinen Eltern, denn ich habe immer alles ausprobieren dürfen, was ich ausprobieren wollte. Die Schauspielerei habe ich eben auch ausprobiert, und da das nun ganz gut klappt, glaube ich auch nicht, dass sich meine Eltern darüber allzu viele Sorgen machen.

In „Rubbeldiekatz“ spielen Sie ebenfalls einen Schauspieler, einen etwas eitlen noch dazu. Wie eitel sind Sie denn selbst?
Ich glaube, nicht sehr. Natürlich wäre es gelogen, wenn man sagen würde, dass man als Schauspieler in keinster Weise eitel sein kann. Man produziert sich ja in irgendeiner Form vor der Kamera, das hat per se etwas mit Eitelkeit zu tun. Es gibt aber verschiedene Formen von Eitelkeit. Es gibt jene, bei der man immer so gut wie möglich ausschauen will; und es gibt die Eitelkeit, bei der man einfach weiß, dass das Ergebnis irgendwann auf einer Leinwand oder dem Fernsehschirm zu sehen sein wird, und einem das dann als Bestätigung genügt. Ich bin ein großer Fan von Verwandlungen jeglicher Art. Der Schikaneder hat auch ein paar sehr merkwürdige Perücken, dabei geht es dann nicht darum, möglichst gut auszusehen, sondern um Verwandlung. Bei „Rubbeldiekatz“ ist das ganz ähnlich. Das ist zwar ein schnöseliger Schauspieler, der von sich selbst sehr viel hält, dann aber in Hausschuhen zur Drehbuchbesprechung kommt und strickt, weil das gerade der Trend in Hollywood ist. Der ist also eigentlich ein Idiot, daran finde ich nichts Eitles (lacht), da steckt eher das allgemeine Bild drin, dass jemand versucht, etwas ganz Tolles zu sein. Wenn man dann aber ein bisschen hinter die Fassade schaut, ist er das gar nicht. Das finde ich viel reizvoller, eine gespielte Eitelkeit, die man aber entlarvt, die man durchschauen kann und hinter der dann das Gegenteil zum Vorschein kommt. Eitelkeit kann auch wirklich sehr kontraproduktiv sein. Wenn ein Schauspieler bei einer gewissen Bewegung oder einem bestimmten Gesichtsausdruck nachdenkt, ob er eigentlich ein Doppelkinn hat, dann ist er schon aus der Szene, aus der Situation und der Rolle raus. Das hat dort eigentlich nichts verloren.

Thomas aus „Rubbeldiekatz“ hat es als deutscher Schauspieler geschafft, in großen US-Produktionen aufzutreten. Wäre eine Rolle in Hollywood für Sie selbst auch noch reizvoll, falls sich so etwas ergeben würde?
Ich habe einmal in einer französisch-kanadischen Koproduktion mit einigen wirklich namhaften Stars mitgespielt. Der Film hieß „Hitler – Aufstieg des Bösen“ mit Robert Carlyle, Matthew Modine und Peter O’Toole. Und ich habe auch einmal einen historischen Film gemacht, in dem Omar Sharif mitgespielt hat. Das war zwar eine österreichische Produktion, aber immerhin ein Oscar-Preisträger an meiner Seite („Kronprinz Rudolfs letzte Liebe“; die Red.). Das ist natürlich toll, mit solchen Leuten spielen zu dürfen. Aber ich würde jetzt nicht pauschal behaupten, dass alles, was in Hollywood oder Amerika gemacht wird, Gold ist, und alles, was hier gemacht wird, nur Silber. Die machen dort auch relativ viel Schwachsinn. Der logistische Aufwand dahinter ist meist etwas größer, aber im Grunde genommen kochen die auch nur mit Wasser. Ich würde natürlich nicht Nein sagen, wenn ein Roman Polanski oder so jemand anfragt, natürlich ist das aufregend. Aber das wäre jetzt nicht mein erklärtes Ziel. Wenn es passiert, dann liebend gerne, aber es ist nicht so, dass ich alles unternehmen würde, um dorthin zu kommen.

INTERVIEW: FRANK BRENNER

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