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26. März 2015

Wohnen in Wuppertal zwischen demografischem Wandel und Gentrifizierung – THEMA 04/15 WOHNART

„Wuppertal stirbt“ heißt ein Song, den der Rapper meelman 2010 veröffentlicht hat. „Ich schlender‘ durch das Tal, früher fühlte ich mich heimisch, nun seh‘ ich Ruinen und wünsch‘ mir, dass es nicht einbricht“, reimte meelman damals und erlangte durch seinen Song sogar bundesweite Beachtung. Er lag und liegt damit auch nach wie vor nicht falsch. Die Wahrheit tut manchmal weh, aber es gibt Ecken in Wuppertal, die erinnern eher an eine Zeit vor 70 Jahren als an eine 350.000 Einwohner starke Großstadt im Westen der aktuell größten Volkswirtschaft Europas.

Der Song stieß nicht nur auf Gegenliebe. Was meelman damals bezwecken wollte? Aufrütteln. Der Mann ist Wuppertaler durch und durch. Ihm hat einfach das Herz geblutet, er hatte die Befürchtung, seine hoch verschuldete Heimatstadt verkommen zu sehen. Meelman hat auch nicht nur Kritik über Wuppertal losgelassen, er ist keiner der oft verschrienen bergischen „Meckerköppe“. Es gibt viel mehr positive Songs von ihm, in denen er deutlich zeigt, wie wohl er sich in der Stadt fühlt. Dass man hier auch immer noch sehr gut leben und vor allem wohnen kann.

Neben den Ecken, über die wir fürs erste den Mantel des Schweigens hüllen wollen, ist Wuppertal nämlich auch extrem lebenswert. Anfang März erschien der Grundstücksmarktbericht für das vergangene Jahr, in dem Gutachter aus der Immobilienbranche mehr als 3900 Kaufverträge analysierten. Grobes Fazit: Ja, in Wuppertal Eigentum zu kaufen oder zu bauen, wird teurer. Die Nachfrage ist aber dennoch ungebrochen hoch. Ein gutes Zeichen: „Es zeigt, dass die Menschen in Wuppertal investieren wollen. Und die, die Immobilien besitzen, verkaufen auch nur, wenn sie gezwungen sind – als Anlage“, stellten Ricarda Baltz und Holger Wanzke vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte bei der Veröffentlichung des Berichtes fest.

Immobilien als Anlage? Wo sind die Leute, die laut „Gentrifizierung“ schreien? Werden Nordstadt und Luisenviertel bald von Schwaben okkupiert, wie es eingeborene Berliner manchmal in Vierteln ihrer Stadt bemängeln? Davon ist Wuppertal sicherlich noch weit entfernt. Klar ist: Ohne Menschen, die in Immobilien investieren, wird sich das Stadtbild nicht verbessern. Altbau-Charme schön und gut, aber die, die heutzutage in Altbauten leben wollen, achten auch darauf, dass es nicht durchs Fenster zieht, die Heizung nicht den Geist aufgibt und es nicht durchs Dach tropft.

Wichtig im Wohnumfeld ist den Menschen auch, dass sie etwas erleben können, ohne dass sie gleich aus der Stadt fahren müssen. Kultur, Sport, Entspannung, Kinder bespaßen – welches Beispiel könnte besser taugen als die Nordbahntrasse? Die ehemalige Eisenbahnstrecke ist ein Musterbeispiel für bürgerschaftliches Engagement, fußt sie doch auf der Initiative eines Vereins. Der Wuppertalbewegung e.V. erkannte 2005 das Potenzial der stillgelegten Trasse. Zehn Jahre später bevölkern die Menschen bei Sonnenschein den Rad- und Fußgängerweg, der sich von Vohwinkel nach Nächstebreck an der Talachse entlangschlängelt. An den Rändern der Trasse entwickeln sich Kultur und Gewerbe. Cafés, Restaurants und Veranstaltungsräume profitieren vom Zulauf.

Wer das in Wuppertal findet, kommt mit Sicherheit seltener auf die Idee, nach Köln, Düsseldorf oder Essen zu ziehen. Sowieso ist der Kampf mit den Metropolen an Rhein und Ruhr in vollem Gange. Das Preisniveau in Wuppertal ist trotz des Anstiegs nach wie vor auch bei den Mieten niedrig. Ein Vergleich beim Immobilienportal immowelt.de zeigt das deutlich. Die dort angebotenen Wohnungen kosten in Wuppertal 5,65 Euro pro Quadratmeter. In Essen sind es schon 6,85 Euro, in Düsseldorf sogar 9,80 Euro und in Köln stolze 10,55 Euro pro Quadratmeter. Mal davon ab, dass man zum Arbeiten mit dem Zug innerhalb von einer guten Dreiviertelstunde in jeder der anderen Städte ist.

Und siehe da: Im vergangenen Jahr konnte sich die Stadtspitze erstmals damit brüsten, dass der Negativtrend der Einwohnerzahlen gestoppt sei. Nachdem die Stadt in den letzten 25 Jahren von rund 383.000 auf etwa 342.000 Bewohner geschrumpft war, auf jeden Fall ein Grund, um einmal kurz durchzuatmen. Ob das so bleibt, ist fraglich. Eine Studie des Büros für Quartierentwicklung (siehe auch unser Interviewauf S. 6) geht weiter von einem Bevölkerungsverlust durch den demographischen Wandel aus, wenn Weltkrisen beendet sind und weniger Flüchtlinge nach Europa strömen. Quo vadis, Wuppertal? Solange auf Projekten wie der Nordbahntrasse gegangen wird, gibt es noch Hoffnung für den Wohnungsmarkt im Tal. Zitat meelman, aus „Lebenslang Schwebebahn“: „Wir machen kein Fass auf, wir trinken lieber Dosenbier – und ich hab‘ ‚ne wunderschöne Wohnung hier“.

Aktiv im Thema:
Büro für Quartierentwicklung Wuppertal
www.nordbahntrasse.de/
www.aufbruch-am-arrenberg.de

Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und choices.de/thema

Florian Schmitz

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Christiane W., 25.04.2015

Man kann nicht alles haben

Man mag es bemängeln, so viel man will - wie so oft im Leben gilt: Man kann nicht alles haben. Insgesamt muss man sich schon entscheiden, worüber man sich beschweren will, über einen Bevölkerungsrückgang oder über exorbitante Mieten. Die Gleichung geht immer zu Gunsten nur einer Seite auf, sprich, wenn eine Stadt attraktiv ist, zieht sie Menschen an, der Wohnraum wird knapp und die Mieten steigen. Insgesamt aber kann eine kluge Stadtplanung und interessante Investitionen langfristig dafür sorgen, eine Gemeinde auf den richtigen Weg zu bringen. Und ziehen die Menschen erst einmal her, dann sind die Mieten eigentlich das geringste Problem. So viel Marktwirschaft muss sein!

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