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Die Welt ist fremd, die Strukturen hilfreich
Foto: Christoph Sebastian

Reise in fremde Welten

26. Februar 2015

Wenn Normalität fehlt. „Supergute Tage“ von Mark Haddon in Wuppertal – Auftritt 03/15

Fünf irren über die Bühne. Ein Hund ist verschwunden. Wellington soll ermordet worden sein. Warum, weshalb und wer nennt schon seinen Hund nach der Hauptstadt Neuseelands? Der junge Christopher will der Sache nachgehen. Doch es gibt ein paar Unwägbarkeiten für den jungen Mann und seine Umgebung. Detektivspiel schön und gut, aber man sollte sicher sein, was alles dabei herauskommt. Im Wuppertaler Theater am Engelsgarten inszeniert Elias Perrig „Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone“ von Mark Haddon.

Konstantin Shklyar ist dieser junge Mann, der in einer Welt lebt, die so weit weg ist von einem Theater. Strukturiert, nach klaren Abläufen gegliedert ist sein Tag, die Bühne, die eigentlich gar keine ist, ist lediglich ein einziger Raum mit Tür und Wand, der Boden ist vermessen, mit weißen Streifen geteilt. Anhaltspunkte, die dem Protagonisten helfen sollen, seine Position in der Welt zu finden. Klar, er ist ein Mathe-Genie, natürlich ein Gedächtnis-Phänomen, aber Normalität, die fehlt an jeder Ecke.

Doch auch seine Umgebung scheint skurril, die Personen hat der Regisseur heftig überzeichnet, sei es die Nachbarin Mrs. Alexander (Miko Greza, der auch Reverend, Schaffner und Polizist sein muss) oder die Rollen des Wuppertaler Urgesteins Thomas Braus. Alle benehmen sich ebenso merkwürdig wie Christopher, nur fehlt ihnen eben das zusätzliche Moment der Außergewöhnlichkeit. Leider ist diese Melange ab und an kontraproduktiv für die innere Stärke dieses Stücks über ein Krankheitsbild, das vielleicht gar keins ist. Wie einst Oliver Sacks „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“, ist nicht nur der Roman von 2003 ein Hit geworden, die Bühnenfassung von Simon Stephens von 2012 ist inzwischen auch ein richtiger Dauerbrenner auf den Bühnen.

Nach und nach klären sich die Beziehungen hinter dem Rücken des jungen Detektivs. Seine Mutter Judy (Philippine Pachl) ist gar nicht im Krankenhaus am Herzinfarkt gestorben, wie sein Vater immer behauptet hat. Sie ist mit Roger (Thomas Braus), dem Mann der Nachbarin durchgebrannt, dessen Hund gemeuchelt wurde, die hatte danach ein Techtelmechtel mit seinem Vater Ed (Stefan Walz), wollte aber wohl nicht bei ihnen einziehen (wohl auch wegen Christopher), deshalb hat sein eigener Vater den Hund mit der Mistgabel erstochen. Seine Mutter lebt glücklich und zufrieden weit weg in London.

Das Leben von Christopher ist danach nicht mehr dasselbe. Viele Halteseile haben sich aufgelöst, dem Vater misstraut er nun, sein Buch über den Hunde-Kriminalfall hat ein unrühmliches Ende. Perrig inszeniert hier mächtig zielgerichtet auf die Dialoge, choreografisches findet kaum statt, Auf und Abgänge nur wo nötig, Bewegung hat die Handlung irgendwie nicht. Dennoch, das ausgezeichnete Spiel des Konstantin Shklyar hält die Geschichte am Leben, lässt die Flamme flackern. Einfach ist die Figur nicht.Supergut darf er sich nur fühlen, wenn die Parameter aus Form und Farbe stimmig sind, wie vier rote Autos hintereinander. Oder wenn die Farbe Gelb aus der Welt gebannt ist. Berührungen gehen gar nicht, die einzige richtige Bezugsfigur außerhalb ist Siebhan (Julia Reznik); die Klassenlehrerin ist auch eine ArtPsychiaterin und eine Welterklärerin, die kommuniziert, wie er sich in schwierigen Situationen verhalten sollte. Aber jetzt will Christopher nach London zur Mutter und in Zukunft bei ihr leben, doch der Weg dahin ist mit Barrieren gepflastert für jemanden, dem einfach ein mächtiges Stück Normalität fehlt. Mathematik kann vieles, aber eben keine Fahrkarte für die Bahn kaufen.

Irgendwie schafft er das. In Wuppertal wird daraus ein Reigen auf der Drehbühne, doch auch in London hören die Probleme nicht auf, denn seine Mutter ist eigentlich vor dem schwierigen Leben mit ihrem Sohn geflüchtet. Und der will ja auch noch die wichtige Mathematikprüfung in seiner Schule ablegen. Es wird ein ziemliches Hin und Her, mit Happy End. Vater Ed schafft einen neuen Hund herbei, die Prüfung wird ein voller Erfolg.„Kann ich jetzt alles?“, ruft Christopher final ins Publikum, im Hintergrund meuchelt Mrs. Shears den neuen Wellington.

„Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone“ | R:Elias Perrig | So 1.3. 18 Uhr, Do 9.4. 19.30 Uhr | Theater am Engelsgarten | 0202 563 76 66

PETER ORTMANN

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