Marias Kerker im Schloss Fotheringhay könnte auch in der Kölner Deutzer Brücke sein. Jedenfalls erinnert das voluminöse Videobühnenbild zu Beginn der Inszenierung von Christian von Teskow in der Wuppertaler Oper daran. Doch der karge Raum ist rein digital erzeugt. Schon beim Einlass flimmerten solarisierte Bilder über eine gigantische Schräge, die Dorien Thomsen auf die Bühne gebaut hat und die Schauspieler zwingt, ständig in der Vertikalen zu agieren, die Auseinandersetzung zweier Königinnen am englischen Hof wird eine Rutschpartie sondergleichen, Schiller hätte dies sicher gefallen, demonstriert das Bild doch nicht nur das innere Gefüge einer intriganten Führungsriege, sondern auch das Innere dieser zwei Herrscherinnen, die verwandtschaftlich um Macht, Einfluss und Liebe kämpfen, doch an der Spitze der Pyramide kann eben nur eine stehen und wird es am Ende von Schillers „Maria Stuart“ auch.
Langsam zoomt die imaginäre Rückwand den Zuschauern entgegen, der Raum verengt sich, der Kerker kommt zum Vorschein, eine einzelne Tür in der Schräge führt hinaus und hinein, eine Kletterpartie wird das immer, so leicht entkommt man den Schergen eben nicht. Dafür hat Königin Elisabeth schon gesorgt.
Im Jahre 1568 ist Maria Stuart, Königin von Schottland, wegen der Mittäterschaft an der Ermordung ihres Gatten aus dem Land geflohen und nach England ins Exil gegangen. Sie erhofft sich Schutz bei Elisabeth I. Die aber muss um ihre Krone fürchten, da Maria verwandtschaftlich selbst Ansprüche darauf hat und immer von einer Vereinigung der beiden Länder träumte. Schillers Handlung findet fast zwei Jahrzehnte nach ihrer Verhaftung statt, drei Tage vor Marias Hinrichtung.
Von Teskow inszeniert Schillers Drama fast losgelöst von den historischen Bezügen, als eine Auseinandersetzung um jegliche Macht, die bis heute anhält, mit wechselnden Mitteln, aber gleichen Ergebnissen. Immer wieder reißen Videobilder der Filmproduktion Siegersbusch die Zeitlinien auseinander, zeigen aktuelle Demonstrationen, Giftgasopfer und Bombenterror. Gespiegelt wird das von Markus Haase als Prediger Melvil, der mit seiner Stratocaster in Neil Young-Manier die Szenen und Maria umschmeichelt und dabei Schillergedichte in altem englisch intoniert, was das Verständnis leider ziemlich eingrenzt. Dazu setzt der Wuppertaler Schauspieldirektor konsequent auf sein gutes Ensemble und dankenswerterweise auch konsequent auf Schillers gewaltige Sprache. So kann man den drei Stunden-Klassiker als Gesamtkunstwerk unverstaubt genießen. Und eigentlich wird man dabei zwischen den beiden königlichen Satelliten immer hin- und hergeworfen. Recht scheinen sie beide zu haben, aber ob sie auch ein Recht darauf haben, lässt sich beileibe nicht immer klären. Juliane Pempelfort ist eine großartige Elisabeth, deren Verortung zwischen Staatsräson und privatem Glück pendelt, die sich auch schon mal schmollend über die Zwickmühle beschwert, in der sie steckt, („O Sklaverei des Volksdiensts“), der man abnimmt, dass sie am Boden zerstört ist, als sich ihre große Liebe in Luft auflöst, die aber dennoch mit eiskalter Berechnung ihren Weg gehen muss, um nicht selbst unterzugehen und die dafür auf die Wahrhaftigkeit ihrer wahren Persönlichkeit verzichtet und es locker mit der Vertikalen aufnimmt.
Hanna Werth als Maria Stuart hat es nicht leichter, sie muss sich im Laufe des Spiels verändern. Kann sie anfangs noch aus adliger Haltung heraus im Ränkespiel gegenhalten, wird reine Freiheit als Vision immer wichtiger, Videobilder in Zeitlupe untermalen diese Evolution; anfangs noch Hoffnung auf Rettung, findet sie erst zur absoluten Selbstbestimmtheit, nachdem sie alle Fesseln, selbst die Todesangst abgestreift hat.
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