Auf der Bühne kämpfen die Androiden, die Cyborgs sitzen im Publikum. Es geht um die Herrschaft über die Seelen, unabhängig davon, ob sie in einem biologischen oder kybernetischen Körper weilen. Die Frage ist eben nur, wann dies bei künstlichen Wesen der Fall ist. Schon früh hat diese Frage die interessierte und naturwissenschaftlich gebildete Gemeinde gequält. Bei Golem, Frankensteins Monster oder die Robotin in Fritz Langs „Metropolis“. Dann kamen Schiff (bei Frank Herbert), die Replikanten (bei Philip K. Dick) und HAL 9000 (bei Arthur C. Clarke) dazu. Immer schon musste sich die künstliche Intelligenz gegen die Kohlenstoff-Einheiten wehren, die zwar Schöpfer, aber auch Terminatoren waren. Egal ob mobiler Nexus-6 oder eingebauter Computer, die Seelen der Maschinen wurden zur Gefahr, ob sie nun eine humanoide Hülle besaßen oder nicht. Selbst die Robotergesetze von Stanisław Lem hatten damals schon einen merkwürdigen Touch, wie könnten sie da für Androiden gelten? Widerstand ist zweckmäßig, wenn die letzte Grenze überschritten ist. Wo liegen also die letzten Differenzen zwischen virtueller Welt und Realität, zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz?
Dieser Frage geht Eike Hannemann im Kleinen Theater Wuppertal nach, mit einer szenischen Collage. Das erste was man sieht, ist die wunderbare Bühne von Birgit Stoessel, fast eine Hommage an Steffi Bruhn, die für Jürgen Kruse Bühnen baute, wo man noch nicht alles gesehen hatte, wenn das Stück längst vorbei war. In Wuppertal ist das ähnlich. Ein Tisch mit Mikros, darum herum diverse Utensilien wie Dosen, Schallplattenspieler, durchsichtige Kästen, daneben halbfertige Roboter, ein mechanischer Stier in Lebensgröße, ausgestopfte Tiere und Monitore, auf denen zu Beginn mit der Musik von 2001 Odyssee im Weltraum auch Fritz Langs Roboterin beim Hochladen im Film zu sehen ist. Mit Karel Capeks Aufstand der Roboter in „Rossum's Universal Robots" (1920) fängt alles an. Helen Glory, die Tochter des Präsidenten, aber auch in der Liga für Humanität, will die Maschinenwesen befreien, scheitert jedoch an der Perfektion der Herstellung, die keine Seele mit einbaut, weil das die Produktion verteuern würde.
Zauberhaft ist die Nutzung der Geräusche, die die drei tollen Schauspieler Anne-Catherine Studer, Lutz Wessel und Marco Wohlwend aus allen Utensilien produzieren und die einen komödiantischen Charme in die szenische Collage bringen, der zwar ans Hörspiel denken lässt, aber jede Audioform bei weitem überragt. Danach huldigt Hanneman nur noch dem Gott der Biomechaniker, der es möglich machte, nicht mehr vom Menschen unterscheidbare Androiden herzustellen, bei denen selbst Data eine Krise kriegen würde. Dummerweise hat die böse Tyrell Corporation denen nur eine Lebenszeit von vier Jahren zugestanden, aus Angst vor den Überwesen, die zwischen der Schulter des Orion und dem Tannhäuser Tor herumkurven und nicht im Laufe der Zeit eigene Gefühle entwickeln sollten. Denn die träumen nicht mehr von elektrischen Schafen, sondern vom Überleben. Der Prämienjäger Rick Deckard gerät in Not, als er sich in Rachael, eine neue Kategorie Android, verliebt, bei dem sich die Grenzen zwischen Humanoiden und künstlicher Intelligenz verwischen, wie die Motive der Science-Fiction-Literatur. Am Ende sieht es für die Menschheit nicht so gut aus. Zu Recht.
„Die Seele der Maschinen“ von Eike Heinemann I R: Eike Heinemann I Kleines Schauspielhaus Wuppertal I Fr 1.7., Mi 6.7., Sa 16.7. je 20 Uhr, So 17.7. 18 Uhr I 0202 569 44 44
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Es geht auch darum, wer der Stärkere ist“
Regisseur Peter Wallgram über „Monte Rosa“ am Theater am Engelsgarten – Premiere 11/24
Schäferwagen und Hexenhaus
„Hänsel und Gretel“ am Opernhaus Wuppertal – Auftritt 11/24
Ohne Firlefanz
Premiere von „Salome“ im Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 10/24
„Im Stück steckt ganz viel Politik drin“
Regisseurin Barbara Büchmann über „Der einzige Mann am Himmel bin ich“ in Wuppertal – Premiere 10/24
Das schöne Wesen aller Dinge
Festival Spielarten 2024 in NRW – Prolog 09/24
„Macht und Machtspiele“
Intendant Thomas Braus über die neue Spielzeit am Wuppertaler Schauspiel – Premiere 09/24
Zahlreiche Identitäten
6. Hundertpro Festival in Mülheim a.d. Ruhr – Prolog 08/24
„Eine andere Art, Theater zu denken“
Dramaturg Sven Schlötcke über „Geheimnis 1“ am Mülheimer Theater an der Ruhr – Premiere 08/24
Weltstars in Wuppertal
Größen der Rock- und Pop-Szene gastieren im LCB – Porträt 07/24
Unterhaltsame Kurzweil
„Die lustigen Weiber von Windsor“ am Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 07/24
„Schauspielerfahrung schult perspektivisches Denken“
Schauspieler Thomas Ritzinger hat mit „Die letzte Nachtschicht“ einen Roman geschrieben – Interview 07/24
Bewegte Geschichte
Soziokulturelles Zentrum Die Börse in Wuppertal – Porträt 06/24
„Wir sind eher im sozialkritischen Drama zuhause“
Regisseur Peter Wallgram über „Woyzeck“ am Wuppertaler Theater am Engelsgarten – Premiere 06/24
Jack the Ripper im Opernhaus
Ausblick auf die Spielzeit der Wuppertaler Bühnen – Bühne 05/24
Richtig durchgestartet
Der Wuppertaler Verein Insel – Porträt 05/24
Ethel Smyth und Arnold Schönberg verzahnt
„Erwartung / Der Wald“ im Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 05/24
„Eine Geschichte, die keinen Anfang und kein Ende hat“
Die Choreograph:innen Thusnelda Mercy und Pascal Merighi über „Phaedra“ in Wuppertal – Premiere 05/24
Auf die Melancholie die Liebe
Theatergruppe Bamboo inszeniert frei nach Georg Büchner – Bühne 04/24
Teuflischer Plan
Senecas „Phaedra“ am Theater am Engelsgarten – Prolog 04/24
„Es geht nicht mehr um den romantischen Naturort“
Manuel Schmitt inszeniert „Erwartung / Der Wald“ an der Oper Wuppertal – Premiere 04/24
Von der Liebe enttäuscht
Premiere von Georg Friedrich Händels Oper „Alcina“ in Wuppertal – Auftritt 04/24
„Das Klügste ist, dass man die Polizei gar nicht sieht“
Anne Mulleners inszeniert „Falsch“ am Wuppertaler Theater am Engelsgarten – Premiere 03/24
„Wir hoffen, dass die Geschichte neu wahrgenommen wird“
Regisseurin Julia Burbach inszeniert „Alcina“ an der Oper Wuppertal – Premiere 02/24
„Der Roman lässt mich empathisch werden mit einer Mörderin“
Regisseur Bastian Kraft über „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ – Premiere 01/24
„Wir haben uns absolut gegen den großen Stein entschieden“
Regisseurin Hannah Frauenrath über „norway.today“ am Theater am Engelsgarten – Premiere 12/23