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Eröffnung von „Sound of the City“ im Schauspielhaus
Foto: ©Grossman

Ganz große Oper

17. November 2016

„Sound of the City: Bund der Utopisten“ – Eröffnung im Schauspielhaus

Ein Spektakel zum Wort Utopie – so resümiert man vielleicht am besten, was am Dienstag im Schauspielhaus zu erleben war. Etwas trockener als die fast euphorische Stimmung, die bei der Eröffnung des Opernprojekts „Sound of the City: Bund der Utopisten“ merklich durch die Reihen zog. Konzipiert hat die Künstlergruppe „Kommando Himmelfahrt“ für Wuppertal nämlich ein durchaus sachbezogenes Programm, das schon dieses Wochenende und weiter im Mai mit hiesigen Akteuren Zukunftsthemen verhandelt.

Aber Oper ist halt immer auch Opulenz: Drama, Klänge, große Gesten. Und so war es vielleicht der beste Start in eine Reihe, die ganz ungewöhnlich scheint für eine Opernsparte und ab Freitag Landwirtschaftsexperten ebenso präsentiert wie Vertreter eines Kinderwunschzentrums. Kurator Thomas Fiedler erklärte ernst, heute entstünden Tonaufnahmen, mit denen sich Wuppertal um Aufnahme in den „Bund der Utopisten“ bewerben wolle. Nicht weniger als Vorschläge zur Weltenrettung soll da bis Mai in die Waagschale geworfen werden, genauer: in einen mit einer „Goldenen Schallplatte“ bestückten Fesselballon. Unsinn? Großartig? Oper ist doch gerne beides. Passend erfüllten dann Chöre und Opernsänger das zuletzt brach liegende Haus mit Hymnischem, und der künftige Intendant Thomas Braus verlas Thomas Morus.

Diese überraschende Entscheidung des Schauspiels vor wenigen Tagen war heute allenfalls im Kopf präsent und natürlich nicht Teil der Utopia-Planung. Und auch Donald Trump wird mit seiner fast zeitgleich erfolgten Wahl kaum im Sinn gehabt haben, an der Bundesallee heute als Aufhänger zu dienen. Aber als Gegen-Szenario bot er sich in der Einleitung an, und so wirkten die Worte und Töne des Abends nicht nur flammend, sondern auch ein gutes Stück trotzig.

Musikalisch gaben sich im bestens gefüllten Foyer des alten Schauspielhauses geballte Klassik-Profis von Oper wie Sinfonie die Klinke in die Hand mit Größen der freien Szene: Jazzsängerin Anna Luca war mit schönen, heute eher sphärischen Tönen ebenso darunter wie Singer-Songwriter Jan Röttger. Mitglieder von „Partita Radicale“ bewegten sich in einer träumerischen Ton-Raum-Performance über die Bühne. Auch inhaltlich war viel dabei: Oberbürgermeister Andreas Mucke beschwor stürmisch den utopischen Wuppertal-Geist. Uwe Schneidewind, Direktor des Wuppertal Instituts, nahm da zum Glück etwas Wind aus den Segeln mit eher nüchterner Analyse aktueller Populisten: „Sie profitieren vom Wiederaufleben alter Fortschrittsversprechen.“ Christian Hampe, Chef des tatstarkenTreffpunkts „Utopiastadt“ im Mirker Bahnhof, gab zuvor einen historischen Abriss über utopische Entwürfe und schloss mit maßvoller Korrektur: „Es reicht nicht, die Welt auf den Kopf zu stellen – wir stellen sie auf die Füße.“

Nicht einfach anders heißt „utopisch“, sollte das heißen, sondern auch neu und besser, und da hätte man applaudieren mögen. War aber streng verboten: Gut studio-mäßig mahnte Thomas Fiedler, heute nicht nur künstlerisch Kommando-Leiter, stets zu Ruhe, sobald das Aufnahme-Lämpchen blinkte. Ohne mit der Wimper zu zucken – schmunzeln musste man selbst.

Denn das vielleicht ist ja nicht zu vergessen, zumindest im Nachhinein: „Sound of the City“ bot zu Beginn eine Inszenierung, und das war auch gut so. Was vorab im Pressegespräch noch kritisch nachgefragt wurde: Als Rahmen wurde es heute eingelöst, als wohl nötige Einordnung künftiger Thementermine in einen doch fiktionalen Kontext. Nur unter dieser Prämisse scheint so manches Pathos des Abends im Rückblick eigentlich überhaupt so recht erträglich: OB Mucke, selbst ja auch Hobbyschauspieler, reizte die halbtheatrale Lage voll aus und mixte Werbung für die Seilbahn mit Worten fürs Geschichtsbuch („Lasst uns mehr Wuppertal wagen!“). Was als Plagiat nicht mal vom toten Parteifreund Willy Brandt geklaut war, sondern vom kürzlich veröffentlichten Lob fürs Tal in der Tageszeitung „Die Welt“. So aber: Ein starker Abend, ein eindrucksvoller Einstieg –  in Zukünftiges.

Weitere Termine (Fortsetzung im Frühjahr 2017):

Ernährung / Arbeit / Landwirtschaft | 18.11.2016  20 Uhr | UTOPIASTADT im Mirker Bahnhof

Beziehung / Familie / Fortpflanzung | 19.11.2016   20 Uhr | Orchesterproberaum im Opernhaus Wuppertal

Utopisches Film-Frühstück | 20.11.2016  11 Uhr, Café Ada

Infos unter www.oper-wuppertal.de/oper/spielplan/detailansicht-auffuehrung/?tx_wbfe_pi1%5Bperformance%5D=1353

Martin Hagemeyer

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