Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
16 17 18 19 20 21 22
23 24 25 26 27 28 29

12.578 Beiträge zu
3.804 Filmen im Forum

Jean Fautrier, Paysage, 1943, Mischtechnik auf Papier auf Leinwand, 38 x 61 cm, Privatsammlung, Köln
Foto: Emil Schumacher Museum/Joachim Schwingel, © VG Bild-Kunst Bonn, 2024

Freie Form

12. August 2024

„Jean Fautrier – Genie und Rebell“ im Emil Schumacher Museum Hagen – kunst & gut 08/24

Jean Fautrier, wer war das gleich? Als Künstler einst ein Vorbild, dann fast vergessen, aber heute mit frischem Blick neu zu entdecken: Der Pariser Maler, Grafiker und Bildhauer (1898–1964) gilt als wichtiger Wegbereiter des Informel. Das Wuppertaler Von der Heydt-Museum rückte ihn gerade in den Fokus: Der Titel der aktuellen Sammlungsausstellung zu abstrakter Kunst, „Nicht viel zu sehen“, ist dem gleichnamigen Fautrier-Bild von 1959 entlehnt. In Hagen präsentiert das Emil Schumacher Museum jetzt die deutschlandweit erste große Fautrier-Retrospektive seit 45 Jahren. Auf zwei Etagen gibt das Museum mit 170 Werken – Gemälden, Grafik, Künstlerbüchern und dem gesamten bildhauerischen Œuvre – einen ansehnlichen Überblick über alle Schaffensphasen, arrangiert nach Themen und Techniken. 

Die Ausstellung startet überraschend traditionell mit dem schmalen realistischen Frühwerk des jungen Künstlers, der als Kind nach London übersiedelte, schon mit 14 an der Akademie studierte, doch enttäuscht mit Anfang 20 in die brodelnde Kunstmetropole Paris zurückkehrte. Die erste Ausstellungsetage gehört ansonsten dem grafischen Werk ab den 1930ern: Büchern, Illustrationen, kleinformatigen Akten und Landschaften. Viel Raum erhalten seine „Originaux multiples“, 15 Editionsserien ab 1950, für die Fautrier das Grundmotiv entwarf. Seine damalige Lebensgefährtin Jeannine Aeply druckte und überarbeitete diese (zusammen mit Studierenden) malerisch und mit Pigment und Papier. Manchmal half der Künstler. Reich und glücklich wurde er dabei nicht, sondern – die Wandtexte informieren ausführlich – gab mehrfach frustriert die Kunst für Brotjobs auf. Was er aber nie lange durchhielt. 

Anhand seiner Blumen- und Obststillleben, Landschaften und seines freien Spätwerks der 1960er-Jahre ist anschaulich nachzuvollziehen und zu lesen, warum Fautrier das Label Informel für seine Kunst nicht wirklich behagte. Von Traditionen befreit, ja, aber formlos? Anders als Künstlerkollegen malte er nie ungehemmt gestisch drauflos, seine Kompositionen sind geplant, die Motive zentral ins Bild gesetzt, geradezu haptisch. Trotz Abstraktion ging er stets vom Gegenstand aus. Und setzte pastose Ölfarbe und Pigmente auf handgeschöpftes Papier, das er auf Leinwände klebte. Die schrundige, reliefartige Oberflächenstruktur findet sich auch bei seinen Bronzeköpfen und -figuren. Im hellen Oberlichtsaal ist Fautriers gesamtes bildhauerisches Werk großzügig ausgebreitet, zur freien Entfaltung der Ausdruckskraft. 

Ob ihn das zum „Genie und Rebell“ macht, sei mal dahingestellt. Für die grundsolide kunsthistorische Ausstellung, die sich ohne Seitenblicke auf Zeitgenossen und mediales Beiwerk ganz auf das Lebenswerk eines Individuums konzentriert, klingt der Titel recht reißerisch. Fautrier war einfach ein Vollblutkünstler mit eigenständigem Stil, den er eigenwillig vorantrieb, weil es ihm wichtig war, persönlich und als Zeitzeuge. Seine Werkreihe „Les Otages“ zur Hinrichtung von kriegsgefangenen Geiseln, die ihn als Maler und als Bildhauer in den 1940er-Jahren weltberühmt machte, ist von zeitloser Eindringlichkeit und leider wieder sehr aktuell.

Jean Fautrier – Genie und Rebell | bis 27.10. | Emil Schumacher Museum Hagen | 02331 306 00 66

Claudia Heinrich

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Beetlejuice Beetlejuice

Lesen Sie dazu auch:

Die Bildfläche in Teilen
Christof John bei Rolf Hengesbach

Fließende Textilien
Performances mit und von Amanda Coogan

Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24

„Der Begriff ,Heimat‘ ist vieldeutig“
Direktor Fritz Emslander über „Es gibt kein Wort …“ im Museum Morsbroich – Sammlung 05/24

Einfach mal anders
Das stARTfestival der Bayer AG in Leverkusen geht eigene Wege – Festival 04/24

Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24

Unter unseren Füßen
Archäologie der Moderne im Ruhr Museum – kunst & gut 02/24

Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24

Kunst und Umgebung
„Produktive Räume“ in Haus Lange Haus Esters in Krefeld – Kunst in NRW 08/23

Leben ins Museum
Neue Sammlungspräsentation des MO im Dortmunder U – kunst & gut 06/23

Draußen, immer
Ein Skulpturenprojekt in Monheim – Kunst in NRW 02/23

Diskreter Charme von Rhein und Ruhr
Jenseits von 99 Luftballons: Hanns Friedrichs in Hagen
 – kunst & gut 01/23

Kunst.

Hier erscheint die Aufforderung!