21 März 90
Ich schrieb Ihnen vor langer Zeit; Sie hatten die große Güte mir nicht nur rasch zu antworten, sondern auch Ihre Hilfe in dem Falle in Aussicht zu stellen, als ich den einmal betretenen Weg rüstig fortzuschreiten gesonnen wäre. […]
Ich bin Mitglied eines Clubs von Bankbeamten; dieser Club, dessen Mitglieder dem Boden der Bourgeoisie entsproßen, bietet in seiner Zusammensetzung ein richtiges Bild dieser Caste in Oesterreich.
In unserem Reichsrathe befehden sich lustig Feudaladel u. „liberale“ Bourgeois, Reaction u. kapitalistische Fortschrittler etc etc. Die subtilen Parteischattirungen entziehen sich naturgemäß dem Verständniße der großen, politisch unreifen Maße, näher liegt ihr das Verständnis des antisemitschen Geistes; dieser ist es den sie zu verstehen glaubt.
Seine Fäulnis fühlend, über die Schatten der kommenden Ereigniße erschreckt, sucht der Bourgeois Rettung in eben den Ideen die seinen Untergang langsam aber sicher vorbereiten. – Den Kampf gegen das Kapital möchte er gern von sich lenken und erzeugt so, getreu seiner bisher beobachteten Verlogenheit u. Heuchelei, den Nationalitäten- u. Racenhaß, worin das Ideal der socialen Reform wie in einem Hohlspiegel verzerrt erscheint. […]
Unsere Arbeiter, soweit sie sich überhaupt mit der socialen Frage beschäftigen, sind zum Schweigen verurteilt; der Antisemit allein darf, Dank der Curzsichtigkeit der Regierung, den Haß gegen das Kapital, wenn auch nur das jüdische, säen; die Früchte werden aber schließlich dem Proletariat in den Schoß fallen. Bezeichnend ist es, daß in letzter Zeit ein Theil der Beamtenschaft den Campf des Antisemitismus mit dem Campf gegen den Kapitalismus identifizirt und somit Sozialdemocrat bis zu einer gewißen Gränze zu sein glaubt; diese Gränze liegt bei der Anschauung, daß der „Socialdemokrat den Besitzenden Alles nehmen und unter die Arbeiter verteilen will“. Eine so craße Unwissenheit herrscht unter der überwiegenden Mehrzahl der Beamten. […]
Verzeihen Sie meine Langathmigkeit! Ist’s mir doch, als ob ich aus dem Cerker in’s volle, freie Sonnenlicht träte!
Ihr Sie tief verehrender
Dory Ehrenfreund
I Rockhgasse 4, Giro und Cassen Verein
Der Wiener Bankangestellte Isidor Ehrenfreund lebte von 1854 bis nach 1909. Mehr ist über ihn nicht bekannt. Ehrenfreund analysiert in diesem Brief den in Österreich grassierenden Antisemitismus. Große Bekanntheit erlangte der spätere antisemitische Bürgermeister von Wien, Karl Lueger, der einen starken Eindruck auf den jungen Hitler machte.
Quellenangabe: Marx-Engels-Gesamtausgabe, Briefwechsel, Band 30, Berlin 2013, S. 209-211; die Abb. zeigt Engels 1890
Dear Fred,
engelszungen 01/25
Dear Fred,
engelszungen 11/24
Lieber Freund Engels!
engelszungen 10/24
Lieber Engels
engelszungen 08/24
Lieber Friedrich
engelszungen 07/24
Dear Fred,
engelszungen 06/24
Lieber General!
engelszungen 05/24
Lieber Engels!
engelszungen 04/24
Lieber General!
engelszungen 03/24
Lieber Engels!
engelszungen 02/24
Lieber Friedrich
engelszungen 01/24
Hochgeehrter Genosse!
engelszungen 12/23
Lieber Engels!
engelszungen 11/23
Lieber Herr Engels!
engelszungen 10/23
Lieber Engels!
engelszungen 07/23
Lieber Engels!
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Lieber Herr Engels!
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Lieber Engels!
engelszungen 04/23
Lieber Herr Engels!
engelszungen 03/23
Lieber Engels!
engelszungen 02/23
Dear Fred,
engelszungen 01/23
Dear Fred,
engelszungen 12/22
Lieber Friedrich
engelszungen 11/22
Verehrter Freund!
engelszungen 10/22
Lieber Engels!
engelszungen 09/22