engels: Frau Cleary, wie ist die Situation der Prostituierten in Wuppertal?
Elisabeth Cleary: In Wuppertal gibt es zurzeit etwa 45 Clubs. In den 1990-er Jahren waren es fast doppelt so viele. Viele Prostituierte in Wuppertal arbeiten heute in Wohnungen. Sehr viele Frauen stammen aus Rumänien, Bulgarien, Tschechien. Sie sind jung, teilweise auch minderjährig, sprechen nicht Deutsch, sind nicht krankenversichert. Sie schützen sich nicht vor Schwangerschaften.Beim Gesundheitsamt Wuppertal können die Frauen sich kostenlos und anonym behandeln lassen.
Woran ist zu erkennen, dass Frauen Opfer von Menschenhandel sind?
Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung liegt nach dem Strafgesetzbuch vor, wenn Personen eine Zwangslage oder die sogenannte auslandsspezifische Hilflosigkeit von anderen Menschen ausnutzen, um diese in die Prostitution zu bringen oder sie daran hindern, die Prostitution aufzugeben. Nach der Rechtsprechung gelten Menschen als hilflos, wenn sie durch den Aufenthalt in einem anderen Land so stark in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind, dass sie sich der Arbeit in der Prostitution nicht widersetzen können. Indizien für die Hilflosigkeit liegen zum Beispiel dann vor, wenn Betroffene nicht über ihre Ausweispapiere verfügen, kein Deutsch sprechen, mittellos sind und somit auf den Täter angewiesen sind, ihre Rechte nicht kennen sowie weder Zugang zum Hilfesystem noch soziale Kontakte in Deutschland haben.
Wie helfen Sie?
Der Caritasverband bietet betroffenen Frauen mit den Projekten EVA und Magdalena Hilfe.Unterstützt werden Frauen, die von Gewalt betroffen sind, Opfer von Menschenhandel und Prostitution wurden, die von Zwangsheirat bedroht oder betroffen sind und Frauen, deren binationale Ehen gescheitert sind. Der Caritasverband begleitet und unterstützt die Frauen bei Entscheidungsprozessen und berät sie hinsichtlich einer würdevollen Rückkehr in ihr Heimatland, wo eine Nachbetreuung angeboten werden kann, oder hinsichtlich eines dauerhaften Aufenthalts in Deutschland. Die Beratung der betroffenen Mädchen und Frauen umfasst unter anderem die psychosoziale Unterstützung, Krisenintervention, Reflexion der erfahrenen Gewalt, Vermittlung an Therapeuten und den Zeugenbeistand. Darüber hinaus werden sie informiert und unterstützt bei der Geltendmachung von Ansprüchen im Bereich von Sozialleistungen und Krankenversicherung, bei Behördengängen, der Suche nach einer Unterkunft, Vermittlung an medizinische Dienste und Rechtsanwälte. EVA richtet sich an Frauen aus Ländern außerhalb der EU und wird über den Europäischen Rückkehrfonds gefördert. Magdalena zielt auf Frauen aus dem EU-Raum und wird mit Unterstützung der Aktion Mensch finanziert.
Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen den Institutionen und Organisationen aus?
In Wuppertal wurde im Jahr 2002 ein Runder Tisch zum Schutz von Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, ins Leben gerufen. Das Ziel war, die unterschiedlichen Institutionen, die direkt oder indirekt mit Opfern von Menschenhandel in Kontakt kommen, miteinander ins Gespräch zu bringen. Die Mitglieder des Runden Tisches entwickelten in der Folge ein Konzept zur reibungsloseren Zusammenarbeit für die Betroffenen und zum besseren Schutz der Frauen. Die Koordination oblag dem Gesundheitsamt. 2008 wurde erneut ein neuer Runder Tisch zum Schutz von Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution ins Leben gerufen, der nun von der Gleichstellungsstelle koordiniert wird. Die Mitglieder des Runden Tisches haben das Kooperationskonzept weiterentwickelt und konnten dabei auf die Arbeit des Projektes "EVA" des Caritasverbandes zurückgreifen und diese mit einbeziehen. 2009 bis 2010 stellten die beteiligten Institutionen die wichtigsten Informationen für Prostituierte in Wuppertal zusammen und veröffentlichten diese 2010 in Form einer Broschüre.
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