Durch die unüberschaubare Fülle zwar mäßig interessanter, dank des missionarischen Eifers diverser Darsteller mit großen weißen Mützen aber dennoch erfolgreicher Kochsendungen avancierte Kochen zu einer Art Religion. Nur wer in das gelobte Land namens „Genuss“ eintritt, kann ein Gutmensch sein. Daniel Kotthaus, 26 Jahre alt und Chef in der „Kornmühle“, ist da erfrischend anders. Er versteht Lebensmittel als Mittel zum Leben. Und bereitet daraus gerne Köstlichkeiten zu. „Kochen ist keine komplizierte Sache. Es basiert auf einfachen Regeln wie Klarheit und Einfachheit. Du brauchst nicht viele Zutaten und nicht auf Teufel-komm-raus zu verändern.“ Anstelle eines Kniefalls vor Luxus-Produkten oder ausgerufene Trends anzubeten, nimmt er sich Klassiker vor. „Das klingt echt abgedroschen, aber die neu zu interpretieren, das macht doch Spaß.“ Molekularküche und Läden wie das El Bulli hält er nicht für magnetische Konzentrationspunkte oder Forschungszentren für Kochkunst, nur Premium-Stücke zu essen, findet er dekadent, und für Chichi hat er nichts übrig. „Deshalb bin ich leidenschaftlicher Gemüsekoch, weil dort richtig Kreativität gefragt ist.“
Keine Schaumwelle, sondern Können
Auf dem Weg zu seinem Beruf gab es kein Erwachungserlebnis. Die Noten reichten nicht fürs Abitur, also sollte, der Neigung entsprechend, eine handwerkliche Ausbildung her. „Wer weiß, was aus mir geworden wäre, hätte ich Schreiner gelernt?“, fragt er hypothetisch. Die Liebe zum Kochen war schon immer da. „Meine Uroma war Köchin am Bayerischen Hof“, die Eltern Getränkegroßhändler und Gastronomen, die Affinität zum Genuss also latent vorhanden. „Allerdings fand ich noch besser als die Küche den LKW von Vaters Großhandel. Und den Geruch von Bier mochte ich auch gerne.“ Nach verschiedenen Ausbildungsstationen begegnete Daniel Kotthaus während seiner Zeit in der Wuppertaler ArtFabrik dem mittlerweile auch fernsehberühmten Kölner Sternekoch Mario Kotaska – als Gast. „Und der fand die Art, wie ich koche, offensichtlich so gut, dass er mir einen Job im La Societé anbot.“ Als begnadeten Fischkoch erinnert er sich an Kotaska, knochenharte Arbeit, ausgiebige Feiern und „eine Menge, die ich in der Zeit gelernt habe“. Perfektes Garen und eine Soße mit guter Textur, das ist Handwerk. Aromen aufscheinen zu lassen und den Teller zu präsentieren, das ist Kunst, beschreibt der Gemüse- und Aromenspezialist seine Arbeit unprätentiös. Seinen Kreationen soll sich keiner mit Ehrfurcht, sondern schlicht mit Appetit nähren.
Spaß am Genuss
„In erster Linie verdiene ich mit meinem Beruf Geld. Und dann macht es mir Spaß, Leute an Neues heranzuführen.“ Den Gästegaumen will er nie einlullen, sondern kitzeln und vielleicht sogar mit Essen, das vorher ein absolutes „No-Go“ war, überraschen. Deshalb ist ihm das Gespräch mit dem Gast wichtig. Auch, um mögliche Unverträglichkeiten abzuchecken. „Es nutzt ja nichts, wenn ich was Gutes mit Walnussöl mache, und Sie vertragen das nicht.“
Den Heldensockel hat der 26jährige Familienvater dank seiner Leistungen bereits erklommen. Der renommierte Schlemmer Atlas hat in seiner aktuellen Ausgabe die Kornmühle gelistet und mit zwei Kochlöffeln ausgezeichnet. „Ohne Kerbelblättchen kein Stern“, witzelt er über die Vergabe weiterer Meriten in anderen Gourmet-Bibeln. „Ich habe aber keine Lust, unseren Stil zu ändern. Bei uns gibt es keinen Zwang und keine Etikette. Die Leute kommen, um gut zu essen und sich wohlzufühlen.“ Vor eventuellem Schickimicki, den er so wenig leiden kann, „bewahrt uns ja ohnehin unser Haus. Das ist viel zu rustikal“. Zwar gab es seit der Übernahme durch ihn und Schwester Marie von den Eltern Elvira und Jörg ein systematisches Ausrangieren von einigen Stehrümchen zugunsten moderner Elemente. Das war’s dann aber auch.
Und als tollen Abend empfindet es Daniel Kotthaus, wenn „ich mit Leuten quatsche und die mir ehrlich ihre Meinung sagen“. Wie es weitergeht? „Ich habe noch nie bestimmte Ziele verfolgt.“ Dank Ehefrau Tina und seinen beiden Kindern ist er „endlich sesshaft“ geworden. Aber „es gibt Städte, die einfacher sind als Wuppertal. Sowohl von manchen Menschen als auch der topographischen Struktur.“ Ab April beliefert er als Caterer das Logenhaus, „und dann lasse ich die Dinge, so wie immer, auf mich zukommen. Damit bin ich bislang am besten gefahren.“
Restaurant Kornmühle, Warndtstraße 7, Wuppertal
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