Unter dem Motto „Architektur schafft Lebensqualität“ laufen bundesweit Aktionen anlässlich des Tags der Architektur. Ein Wochenende lang gibt es eine Bühne für das, was aktuelle Entwicklungen, Strömungen und Tendenzen zu den Themen Bauen und Wohnen – kurzum einen Rückzugsort haben, um gut leben zu können – sind. Neben der Revitalisierung eines denkmalgeschützten Gebäudes an der Lindenallee, der Teilrekonstruktion des ebenfalls denkmalgeschützten Wintergartens an der Friedrich-Ebert-Straße sowie dem Kinderhospiz Burgholz und der Kita an der Bendahler Straße präsentiert die Stadt ein besonderes Schätzchen: die bonbonfarbene „Villa Waldfrieden“.
Dass dieser architektonische Traum, ein hübsches Beispiel für das, was – salopp gesprochen – „runde Ecken“ sind, nicht längst zerfallen ist, ist der Cragg Foundation des in Wuppertal lebenden britischen Bildhauers Tony Cragg zu verdanken. Erbaut wurde das organisch strukturierte Traumhaus einst von Kurt Herberts 1946 bis 1949. Der Professor war nicht bloß Lackfabrikant, er war anthroposophisch orientiert. Sein Architekt und Maler Franz Krause setzte dabei die Idee einer „gefühlten Bauweise“ um: Im Prozess vor Ort wurde quasi im Tun bestimmt, wie es weitergeht. Und zwar aus der Mitte des (Schnecken-)Hauses nach außen. Wobei innen und außen insofern nicht voneinander abgegrenzt wurden, sondern durch riesige Glasfronten ineinander übergehen. Geschwungene Formen ersetzen konsequent rechte Winkel, Handläufe an Treppenauf- und -abgängen erweisen sich als Handschmeichler, tropfenförmige Lichthöfe sorgen für Helligkeit – nur die Wände sind senkrecht. Es heißt, der Architekt versuchte die Entwurfphase als so etwas wie einen spontanen Schöpfungsakt weitestgehend von Konventionellem frei zu halten.
Dem Vernehmen nach entdeckte Cragg das ungewöhnliche Gebäude zu Beginn der Nullerjahre. „Als ich die Villa zum ersten Mal gesehen habe, war das ein Schock“, heißt es. An das überaus starke Gefühl, das Gebäude umschließe ihn, musste er sich zunächst gewöhnen. Der Rest ist Geschichte, der umtriebige Künstler nahm sich nicht allein der Villa, sondern auch des Drumherums an und kreierte den fürwahr einzigartigen Skulpturenpark. Anlässlich des Architekturwochenendes öffnen sich die sonst geschlossenen Villatüren für Interessierte. Jeweils eine Dreiviertelstunde dauern die Führungen, zu denen Gäste sich bis Freitag, 23. Juni, anmelden können. Sicher wird Wissenswertes zum Gebäude erzählt, das ohne den außergewöhnlichen Herberts, der zu Zeiten der nationalsozialistischen Diktatur verfemte Künstler schützte und beschäftigte, nicht erzählbar wäre.
Gar nicht oft genug kann der interessierte Zeitgenosse sich außerdem die ollen Kamellen Bertolt Brechts erzählen lassen. Am besten im Opernhaus, wenn Brechts berühmtes Doppelwesen Shen Te/Shui Ta zu erleben ist. „Der gute Mensch von Sezuan“ kommt nun letztmalig auf die Bühne. Ja, die Story ist leicht ranzig, nein, derlei Parabelkram birgt keine Überraschung. Das Fazit, „in einer bösen Welt kann keiner gut sein“, mag stimmen, vor allem aber ist manch Amüsantes sowie viel Überdenkenswertes dabei.
Führungen durch die Villa Waldfrieden | Sa 24. & So 25.6. 10.30 bis 17.30 Uhr | Skulpturenpark Waldfrieden | 0202 478 981 20
„Der gute Mensch von Sezuan“ | 1., 2.6. 19.30 Uhr, 18.6. 16 Uhr, 25.6. 18 Uhr | Opernhaus | 0202 563 76 66
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