Das ist ja ein Ding: Vier Meter hoch ragt das türkis-grau gefleckte Gebilde empor. Ein eigenwilliger Fremdkörper im Waldpark, obgleich er an Tannen mit verschmolzenen Spitzen erinnert. Jaana Casparys Bronzeskulptur „upside down“ steht als Neuzugang der Cragg Foundation auf dem Rasen neben der Villa im Skulpturenpark – in guter Gesellschaft und einer Linie mit zwei figurativen Miró-Skulpturen („Femme“, 1981, und „Personnage“, 1978). Diese kleine Prozession anzuführen, verleiht „upside down“ eine eigenwillige Persönlichkeit, die nicht recht zu fassen ist.
Mit solchen fast surrealen Verfremdungen, beim Materialeinsatz wie auf der Bedeutungsebene, spielt Caspary. Ein echtes Heimspiel ist ihre Einzelausstellung „ebenda“. Die international gefragte und mehrfach ausgezeichnete Wuppertaler Bildhauerin (*1988) hat an der Kunstakademie Düsseldorf studiert und war von 2005 bis 2016 Assistentin im Atelier von Tony Cragg, der sie nun anlässlich der Festinstallation ihrer Großplastik zur Präsentation ihrer neusten Werke einlud. In den Wintergarten der Villa, wo sie fünf Sockel-Objekte in Modellgröße präsentiert, die dort allerdings nur von außen durch Glasscheiben zu betrachten sind und in größerem Rahmen in der unteren Ausstellungshalle.
Auf dem Waldweg, den Hang hinabkraxelnd, schimmert ein goldenes Objekt durch das noch winterlich schüttere Gehölz: „swirl“, eine Art spiralförmig geknautschter Riesen-Donut aus Goldbronze, markiert den Eingang in die hohe Halle. Locker und luftig auf Boden und Wänden platzierte Skulpturen und Zeichnungen geben Einblicke in Casparys Gestaltungskosmos. Einzelne Formen und Bestandteile ihrer Objekte erinnern vage an Gegenstände aus Alltag und Umfeld, meist schlichte, reproduzierbare Dinge wie Kissen, Blubberblasen oder Planschbecken. Stark vereinfacht, vervielfacht, verkleinert oder vergrößert entfalten sie neu montiert, geschichtet, verschmolzen und in überraschend hochwertiges Material gekleidet ein neues Eigenleben voller subtiler Komik: „double box“ z. B. besteht aus zehn identischen Modulen, die an Sitzpolster erinnern – mit Einkerbungen, Polsternähten und Knöpfen. Die Künstlerin verbaute sie zu zwei aufeinandergesetzten Würfeln. Als weißer Hochglanz-Turm aus lackierter Bronze präsentiert sich das Objekt ästhetisch veredelt, doch weit entfernt von weicher Couchgemütlichkeit. Die Verwendung edelster Materialien für banale Massenware amüsiert, irritiert und zieht zugleich mächtig an. Dass man „bubbles“, ein zwei Meter langes Objekt aus ballgroßen Blasen, gefertigt aus hochglanzpoliertem schwarzem Marmor, nicht berühren darf, ist kaum auszuhalten.
Das Spiel mit Verfremdungen beherrscht Caspary auch als Zeichnerin, als die sie sich in der Ausstellung erstmalig vorstellt. Knollengebilde, Blasen und verschlungene Knoten setzt sie mit Fineliner als freischwebende Form auf weißen Bildgrund. Fast ikonisch. Durch intensive und feinste kreisförmige Schraffuren in Blau oder Schwarz verleiht die Künstlerin ihren Motiven eine fantastische Plastizität, die ihre Arbeit auf Papier mit ihrem bildhauerischen Werk verbindet.
ebenda | bis 6.8. | Skulpturenpark Waldfrieden Wuppertal | 0202 47 89 81 20
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