Ein zauberhaftes Gebilde schwebt über den Köpfen. Wie eine Wolke aus farbigem Schaum oder ein langer, verschnörkelter Pinselschwung, der frei durch den Luftraum des Glaspavillons zieht und dabei in allen Regenbogenfarben schillert. Das natürliche Licht wird an den Glaskanten gebrochen, was zusätzlich für changierende Effekte sorgt. Berta Fischer hat, so scheint es, die Farbe selbst in eine dreidimensionale Form gebracht – und den umgebenden Raum damit zum Schwingen. Gefärbtes Plexiglas ist das bevorzugte Material der Berliner Bildhauerin. Unter Hitzeeinwirkung lässt es sich gut schneiden, biegen und zu völlig gegenstandsfreien Objekten verfalten, die Fischer für den jeweiligen Ausstellungsort konzipiert: von der Decke hängend, vor Wandflächen oder auf dem Boden platziert, im Innen- wie im Außenraum. Die abstrakten Gebilde sind immer beides: raumgreifend und dominierend, dabei von luftig leichter Anmutung und ästhetisch überaus präsent. Manifestierte Farb-Licht-Poesie.
Als Tochter der Düsseldorfer Galeristenlegende Konrad Fischer, einst selbst Künstler im Umfeld von Richter und Polke, ist Berta Fischer (geb. 1973) von Kindheit an von Kunst umgeben, hat in New York und Karlsruhe studiert und in aller Welt ausgestellt. Für den Skulpturenpark Waldfrieden kreierte sie drei neue Plastiken: eine für die Rasenfläche vor der markanten Villa im Park und zwei für die lichtdurchflutete obere Ausstellungshalle mit gebogener Glasfront. Augenscheinlich fast schwerelos streift „Tiangaliron“ durch den neun Meter hohen, ovalen Raum. Ein Blick nach oben in die diskrete Hängung an transparenten Seilen offenbart, dass die luftige Kreation wohl ziemlich gewichtig ist. Auch „Atysarim“ ist an kaum sichtbaren Haken vor der einen fensterfreien Wand des Pavillons installiert und bringt sie meterhoch zum Schimmern und Funkeln, ohne „Tiangalirons“ Wirkung zu beeinträchtigen. Das Arrangement ist präzise rhythmisch aufeinander abgestimmt.
Was alle Fischer-Werke verbindet: Sie sind völlig offen für Assoziationen jeder Art und daher mit Fantasienamen versehen. Die Künstlerin lässt fröhlich alle Interpretationen gelten und freut sich vor allem, wenn sich die Energie ihrer Objekte im Raum überträgt. Wenn Besucher sich vielleicht lächelnd an Seifenblasen aus Kindertagen erinnern, als Buntes einfach schön sein durfte und frei von Bedeutung und Funktion.
Als neckische Fußnote hängt ein kleineres amorphes Gebilde aus einer früheren Produktionslinie neben dem Eingang. „Lysop“ ist aus blickdichtem Styrofoam, ein türkis lackierter fester Kunststoffschaum mit Lochöffnungen, in die die Künstlerin gelbe und rote Acrylglasknäuel stopfte. Ein unbeschreiblich lustiges Ding mit etlichen Tentakelärmchen. Ihren Mut beweist Fischer auch in der Bodenarbeit auf dem Rasen vor der Villa. Als Fremdkörper in poppigem Orange spiegelt sich „Izarido“, komplementär zum saftigen Grasgrün, geradezu frech und selbstbewusst in den Schaufenstern des Wintergartens – und stiehlt Eduardo Paolozzis dezenten weißen Kopfskulpturen, die zweite aktuelle Einzelausstellung im Park, aus gewissen Blickwinkeln glatt die Schau.
Berta Fischer | bis 1.1.2025 | Skulpturenpark Waldfrieden, Wuppertal | 0202 47 89 81 20
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