In Zeiten wie diesen ist es kaum vorstellbar, dass jemand ausschließlich von seiner Kunst leben kann. Wenn die Rede nicht von den bekannten Leuten aus der ersten Liga oder Gesichtsvermietern im Nirgendwo der Fernsehlandschaften ist. David J. Becher, gebürtiger und bekennender Wuppertaler, hat sich eher der Off-Szene, Subkultur und dem, was gemeinhin Kleinkunst genannt wird, verschrieben. In dieser Theaterwelt ist der 32Jährige eine feste Größe.
KUNST KOMMT VOM MÜSSEN
Neuerdings hat der Schauspieler, der nach Eigenaussage am liebsten entertaint, ein weiteres Spielfeld für sich erobert: Im Internet- Format „Das dem der liebe J. sein Wuppertal“ wird sich unterhalten. Es lief schon „eine ganze Weile“, erinnert er sich, „dass ich Moderationen übernommen habe“. Daraus ergab sich eine Doppelmoderation mit Iris Panknin am NRW-Tag im August 2008. Und weil ihm diese Ansagerei und Ausfragerei so viel Spaß macht, wollte er eigentlich mit dem Sänger Marvin Becker etwas zusammen machen. Das war 2009 – und der Plan zerschlug sich aus vielerlei Gründen. Als dann die Hebebühne an der „Mirkerstraße, meiner Heimat“ eröffnete, kam die Idee zur Talkshow. „Warum realisiere ich das Frage-Antwort-Konzept nicht hier? Da habe ich es wenigstens nicht weit bis zur Arbeit.“ Im Januar 2010 war Premiere. „Die vielfältige und eng vernetzte Kulturszene Wuppertals ist einzigartig“, schwärmt er. „Das ist etwas, um das uns viele andere beneiden.“ Und weil David J. Becher aka der liebe J. quasi an allen Kulturinitiativen jüngerer Generationen beteiligt ist, soll Kultur das Kernthema der folgenden Beiträge sein. Vielleicht gerade, weil die Stadt so gut wie bankrott ist und die von Kämmerer und Oberbürgermeister vorgelegten Sparkonzepte diese Sparte stark beschneiden könnten. „Engagement plus gute Verzahnung im Sinne von Austausch sind in Rotstiftzeiten ganz besonders wichtig.“ Bei ihm ist die städtische Identität hoch und wegen stadtpolitischer Schieflagen zu resignieren nicht sein Ding. Nach seiner Meinung werden Kunst und Kultur immer stattfinden, das können kein Kämmerer oder noch so miese Kulturpolitik unterbinden. „Vielleicht gibt es dann noch mehr Subkultur?“, mutmaßt er und verweist darauf, dass gerade wieder allerlei geschieht, was interessant ist. Mit ihm mitten drin. Dass er jetzt als der liebe J., die akustische Ähnlichkeit mit einer anderen prominenten Persönlichkeit gleichen Klanges war anfangs etwas anstrengend, aber damit muss man sich dann eben arrangieren, nun also auch eine Internetshow hat, ist der neueste Clou. Den meisten wird er durch das fürwahr legendäre Vollplaybacktheater bekannt sein oder als Sprecher in Eugen Egners Sparoper „Olga la Fong“. Dabei wollte er nie professionell auf die Bühne.
VON DER KURRENDE ZUM VOLLPLAYBACKTEHATER
Angefangen hat alles in der Kurrende. „Ich kann also ein bisschen singen.“ Mit 15 Jahren, „Ich konnte noch Sopran singen“, suchte das Opernhaus Stimmen für „Oliver Twist“. „Da war ich noch klein und niedlich“, und vielleicht deshalb, eher wohl aber wegen der stimmlichen Qualitäten, bekam er die Rolle. Und als er dann feststellte, wie „extrem ernüchternd das Sängerleben mit Rumsitzerei in der Kantine und all solchen Sachen“ ist, beschloss er, doch keine Schauspiel- oder Gesangskarriere machen zu wollen. Dann aber kam das Kinderund Jugendtheater auf ihn zu. Bei den Produktionen zu „Das Sams“ und „Tabaluga“ lernte er den Supaknut kennen. „Ich machte gerade Abi an der Rudolf Steiner-Schule.“ Eigentlich wollte er zum Zivildienst nach Berlin. Aber das Hörspiel, das Supaknut gerade abtippte, war der Auftakt zum Vollplaybacktheater, und das war vor geschätzten 13 Jahren. „Dabei war das doch so eine Schnapsidee.“ Wer übrigens bislang keine Aufführung sah, muss das nachholen. Zu erklären, was sich hier abspielt, ist schwer. „Wir legen eine Kinderkassette von den Klassikern der Kinderliteratur ein und machen dazu eine Show. Außerdem haben wir zur Kassette Sachen dazugeschnitten und Geräusche produziert.“ Dieser Quatsch und dieser Mut zur Lücke kommen seiner erklärten Liebe zum Absurden sehr nah. „Da steh ich einfach drauf.“
ZWISCHEN ROCKMUSIK UND TALKSHOWMODERATION
Folgerichtig spielt er auch in einer Rockband namens TseTse! mit, „das ist frei improvisierte Musik, und ich darf dazu Geräusche ins Mikrophon tun“, freut er sich diebisch, schon wieder ein Format nicht näher klassifizieren und damit schubladenkompatibel machen zu können. Dieses „Rummäandern in der Kultur“, zwischen den Gattungen und jenseits des Üblichen, möchte er beibehalten. „Immer, wenn ich Leute kennen lerne, ergibt sich daraus etwas.“ Die Talkshow „Der liebe J.“ empfindet er als Riesenspielplatz und wenn die Politik hilflos ist, muss eben jemand anders die Gestaltung der Kultur übernehmen. „Darauf habe ich bock.“ VALESKA VON DOLEGA
Mehr zu David J. Becher und seiner Sendung im Netz bei www.derliebej.de.
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