Schnell entpuppte sich der große Zirkus um die Aufklärung der Missbrauchsfälle als ein öffentlich wirksames Eigentor, dass sich die Katholische Kirche da schoss. Statt eines Katharsis-Effekts für die arg gebeutelte Kirche und einer erwiesenen Bereitschaft, die Missstände in den eigenen Institutionen offenlegen zu lassen, sah sich die Bischofskonferenz, die den Forschungsauftrag zur Aufklärung der sexuellen Gewalttaten vergab, dem Vorwurf der Zensur ausgesetzt. Für Werner Kleine, Pastoralreferent der Katholischen City-Kirche in Elberfeld, ist es vor allem die Art, wie die geplatzte Zusammenarbeit zwischen dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) und der Bischofskonferenz ihren Weg in die Öffentlichkeit fand: „Die katholische Kirche hat ihre Entscheidung falsch kommuniziert. So konnte in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, dass sie ein Gefälligkeitsgutachten will“, merkt er kritisch an. Dabei wäre es schon von der Bischofskonferenz naiv gewesen, so Kleine, einen solchen Auftrag einem „mediengewieften Mann“ wie Christian Pfeiffer anzuvertrauen. Für sein Vorhaben, die in kirchlichen Institutionen über Jahrzehnte andauernden sexuellen Übergriffe und Misshandlungen an Kindern und Jugendlichen systematisch aufklären zu können, hatte er eine Einsicht in die Personalakten aller Beschäftigten gefordert. „Die Personalakten kann man natürlich nicht so offenlegen“, erklärt Werner Kleine und verweist auf die staatlich verankerte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Dies hätte man von Seiten der Kirche aber wissen müssen, daher trage sie auch hierfür die Verantwortung, so Kleine weiter.
Die Stimmen nach einer externen Untersuchung werden nicht leiser werden
Seit über 20 Jahren sei aber in den kirchlichen Einrichtungen eine Professionalisierung in Gange, betont Kleine. In sogenannten „Präventionsschulungen“ würden jährlich über 15.000 Angestellte für das Thema „sexuelle Übergriffe“ sensibilisiert, erläutert er die Bemühungen. Eine weitere Situation, die grundlegend anders ist als vor 40 Jahren, ist die Wohnsituation der Kinder in Heimen mit katholischer Trägerschaft. „Früher haben 200 bis 300 Kinder in einem kleinen Gebäude gewohnt. Da kann man sich grob vorstellen, wie Kinder damals gelebt haben. Heute wohnen maximal zehn Kinder in einer großen Wohnung mit einer Erzieherin“, erläutert Reiner Massow, Leiter des St. Michael Kinderhauses, die Veränderung in seinem Haus. „Die Leute haben so Einblick in unsere Einrichtungen, die Freunde der Kinder besuchen uns. Wir haben Kontakt mit ihren Eltern“, berichtet Massow, der mit diesen Maßnahmen eine Transparenz in der Heimarbeit verbindet. Für die Gemeindemitglieder des Pastoralreferenten Werner Kleine bleibt die Situation dagegen undurchsichtig: „Sie können quer durch alle Milieus eine große Irritation bis hin zu einer großen Empörung hören“, fasst er die Reaktionen zusammen. Dies wiege schwer für ihn. Die Stimmen nach einer ausschließlich externen Untersuchungskommission der Missbrauchsfälle werden nach diesem gescheiterten Akt der Aufklärung nicht leiser werden.
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