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Der Boden unter Europas Füßen ist reichlich heiß: Bis 2050 könnte ein Drittel des Wärmebedarfes geothermisch erzeugt werden
Foto: GTB

Der Temperatur-Schatz in der Tiefe

01. Januar 2012

Es wird wieder gebohrt: Geothermie gilt als aussichtsreiche Zukunftsenergie – Innovation 01/12

Im Herzen des Ruhrgebietes, wo jahrhundertelang Kohlegräber das Heizmaterial aus dem Boden holten, bohrt man neuerdings wieder in die Tiefe. Ob oberflächennah oder 4.000 Meter unter der Grasnarbe – Erdwärme soll in Zukunft einen ansehnlichen Teil der benötigten Heizenergie CO2-frei liefern.

„Draußen zwei Grad. Und daraus machen wir noch Wärme“: Wer in alten 80er Jahre-Magazinen blättert, findet Werbung, die Hausbesitzern elektrische Wärmepumpen als innovatives Non-plus-Ultra anpries. Kein Öl, kein Ruß – nur sauberer Strom, der aus Luft auch im Winter die nötige Behaglichkeit lieferte. Die sich darauf einließen, machten sich meist zum Deppen. Weder waren die Geräte leise, noch sparsam, oft nicht mal ausreichend. Und der Strom blieb auch nicht billig.

Jetzt ist die Wärmepumpe wieder da, in Kombination mit Energie aus dem Erdreich: Seit der Gesetzgeber verlangt, Wohnbauten intensiv zu dämmen und Erneuerbare Energien einzubinden, findet sich Geothermie schon in jedem zehnten Neubau. Der Heizbedarf ist geringer, eine Fußbodenheizung braucht ein Drittel weniger Temperatur als die konventionelle Rippe an der Wand. Bundesweit kommt so Wärme für reichlich 450.000 Familienhaushalte zusammen. Und das ist erst der Anfang.

Ein Blick nach Bochum, wo Holger Born vom Internationalen Geothermiezentrum (GTB) die Basics im Schlaf drauf hat. „Im Erdreich wird es alle 100 Tiefenmeter um etwa drei Grad wärmer. Schon oberflächennah haben wir konstant 10 Grad Celsius, aus denen die Wärmepumpe 35 bis 40 Grad macht“, sagt er. „Das ist fürs Ruhrgebiet eine fast flächige Option.“ Die grobe Eignung ihres Areals können Bauherren schon über die Webseiten des Geologischen Dienstes erkennen, für Details gibt es eine CD-ROM.

Da sind nur die Bohrkosten, leider. Denn 100 Bohrmeter schlagen aktuell locker mit 5.000 Euro zu Buche, Sonden und Leitungen belasten den Etat um weitere 2.000 Euro. Die Wärmepumpe selbst ist so teuer wie ein Gasbrenner mit Kamin. „Unterm Strich haben wir momentan also 7.000 Euro Mehrkosten“. Born rechnet hoch: „Bei angenommenen drei Prozent Preissteigerung beim Gas und 1,5 Prozent beim Strom ist man nach zehn Jahren in der Gewinnzone.“ Sofern grüner Strom eingesetzt wird, sogar CO2-frei.

Eine ganz andere Nummer – kosten- und ertragsmäßig – ist die Tiefen-Geothermie. Wenn die Bohrmeißel sich bis in 5.000 Meter vorarbeiten, finden sie dort Temperaturen jenseits des Wasser-Siedepunktes. Vielleicht sogar kochendes Wasser, das sich hochpumpen und in Fernwärme verwandeln lässt. Wenn nicht, muss man das Wasser eben mitbringen, sprich: runter leiten und heiß wieder heraufholen. Funktioniert aber – sogar zur Stromerzeugung. Freilich kostet der Spaß locker zehn Millionen Euro. Trotzdem sind das Geothermiezentrum und sein Vorstand Prof. Rolf Bracke drauf und dran, auf einem „Claim“ jenseits der Bochumer Hochschule solch ein Loch zu bohren: „Wir wollen 2012 in etwa 1.200 Meter durchs Gestein gehen“, schilderte er unlängst, „in einer zweiten Phase soll es dann bis auf 4.500 Meter runter.“ Die Wärme ist für das Bochumer Netz verplant.

Brackes Plan tritt die Nachfolge des erfolglosen „Prometheus“ an, mit dem die Uni-Kollegen schon 2004 einen Tiefenversuch wagen wollten. Ihr Ziel: 20 Prozent der Uni und des angrenzenden Stadtteils Querenburg mit Erdwärme zu beheizen. „Damals hatten die Kollegen um Professor Rummel und Professor Wagner einfach das Pech des falschen Zeitpunkts“, bedauert man heute. Die Idee kriegt jetzt wieder – Verzeihung – Oberwasser.

Bremsen könnten allerdings besorgte Bürger. Ihre Befürchtung: dass dort, wo tief gebohrt wird, der Boden bebe und Häuser kaputt mache. Tatsächlich erlebte Basel einen 3,1-Erdstoß. „Aber Bochum und der größte Teil Deutschlands sind kein Erdbebengebiet“, beschwichtigt Holger Born. Man werde die Arbeiten mit seismischen Aufzeichnungen begleiten und belegen, „dass das Rumpeln der Güterbahn in der Innenstadt stärker ist.“ Bleibt noch das dumme Beispiel Staufen. Dort durchbohrten sie 2007 auf Suche nach Erdwärme eine Grundwasser-Sperrschicht, unter der sich Anhydrid befand. Das verband sich mit Sickerwasser zu formidablem Gips, der hochquoll und 150 Häuser demolierte. Längst sind sich die Experten einig, dieser derbe Fehler sei durch Blick auf Karten oder Bohrkerne vermeidbar gewesen.

Erdwärme also – nicht nur fürs Reihenhaus: In Bochum heizt (und kühlt) man im Stadtwerke-Haus zu 50 Prozent über Geothermie, noch stärker soll der Anteil im neuen „Exzenter“-Büroturm ausfallen. In Krefeld entsteht ein Geothermie-Kraftwerk … während das Augsburger Fußballstadion seinen Rasenplatz mit Erdwärme schneefrei hält, was sonst 10.000 Liter Öl verbrauchte.

Der Temperatur-Schatz aus der Tiefe ist sogar schon museumsreif. Im kommenden Jahr soll die Geothermie per Dauerausstellung in das Bochumer Bergbaumuseum einziehen. „Vieles in unserem Metier fußt doch auf alten Bergbau-Technologien wie Bohren und Pumpen“ – für Holger Born ist das naheliegend. Und auch, dass man schon lange vom „Wärme-Bergbau“ redet. Nicht nur hier im Revier.

TOM JOST

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