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Foto: Irma Flesch

Die Feder vom Vogel Greif

28. Juli 2011

Warum die Leber der Kultur so schmackhaft ist - Magenbitter 08/11

I want to fly like an eagle

Till I'm free

Oh, Lord, through the revolution (Steve Miller)

Immer wenn ich auf mein Konto schaue, denke ich an Griechenland. Immer wenn ich an Griechenland denke, schaudert es mich. Direkt nach der Volksschule wollte man mich auf ein altsprachliches Gymnasium schicken, wo ich in der Sexta mit Griechisch beginnen sollte. Meine damalige Klassenlehrerin fand das wohl schick, ich fand allein die Vorstellung beklemmend, rettete mich in eine „normale“ Penne, wo ich „nur“ mit Latein startete. Auch die damals in Stuttgart stattgefundene Uraufführung von Carl Orffs „Prometheus“, bei dem die Götter nebst Okeaniden-Chor zweieinhalb Stunden lang auf altgriechisch plapperten, hätte meine Aversion gegen das altsprachliche kaum abbauen können, außerdem wusste ich damals noch nichts von Orff und dieser Inszenierung. Das kam erst später, als Schellentrommeln, Xylophone und die allseits beliebte Triangel den Musikunterricht verfeinerten und das Orff-Schulwerk mächtig „in“ war. Dieser Lautewirrwarr führte später zu einer meiner ersten LPs: „Ceremony“ von Pierre Henry zusammen mit Spooky Tooth und zu weiteren Henry-Werken. Irgendwie war das echte Avantgarde. Orff mochte ich damals noch gar nicht. Aber der Prometheus hat mich wieder eingeholt. 2012 kommt er in einer Inszenierung des aus Samoa stammenden Künstlers Lemi Ponifasio zur Ruhrtriennale, selten gespielt wird er, aber im Ruhrpott mit 800.000 Euro Steuergeldern vom Bund gefördert. Ich frage mich sofort in welche Taschen die wohl wandern und nehme für den flauen Magen mal ein Gläschen Feuerwasser, die hochprozentige Flüssigkeit hat schließlich mehr Kultur vernichtet als Armeen.

Gleichzeitig kämpft das Bochumer Theater ums Überleben. Das in Wuppertal tut es ohnehin. Hier wie dort fehlt eine ähnliche Summe, nicht für ein Highlight oder eine bauliche Maßnahme. Nein, schlicht für den ganz normalen Betrieb. Wie geht das zusammen? Welchen Wert hat da der Prometheus noch? Ist es nicht so, dass der irgendwann einmal Feuer und Kultur zu den Menschen gebracht hat, auch wenn davon heute eher die Fernsehköche partizipieren? Aber auch der alte Kultur-Titan hatte es nicht leicht. Den Göttern missfiel der ganze Aufwand. Schließlich konnte es nur einen geben und der hieß Zeus. Er ließ den Unsterblichen in die schlimmste Einöde des Kaukasus (und nicht Hindukusch) verschleppen, wo er unsere Freiheit verteidigte. Gefesselt an einen Felsen musste er dort ausharren, ohne Mahlzeit, Freibier und Schlaf. Und dann kam täglich Adler Ethon und zerbiss seine Leber. Glücklicherweise war der Recke kein Alkoholiker und nicht sterblich. So ähnlich müssen sich Theaterintendanten heute in Deutschland einig Vaterland fühlen. Kultur ja, aber ohne Speis und Trank. Dazu die Kämmerer, die an den Eingeweiden fressen. Na wir alle wissen, wie diese altsprachliche Tragödie ausging: Ganz im Sinne der Uraufführung 1968: Als Herakles Prometheus befreite, erschlug er Ethon. Nun will ich ja gar nicht sagen, dass dies auch heute noch eine zeitgenössische Lösung ist – oder doch?

Von Peter Ortmann

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