Da haben sie mich doch tatsächlich mitsamt meinem Anhänger von der A43 gefischt. In einer schwarzen Limousine süddeutscher Baureihe, mit frisch polierter Kelle und freundlicher Aufforderung, mal hinterher zu fahren. Nun ja, da ich weder Diebesgut noch Drogen im Auto hatte, dachte ich mir, Flucht ist mit meinem Diesel kaum zu realisieren, also Blinker raus und sehen wohin die Fahrt kurz vor Münster wohl enden mag. Ich war natürlich zu schnell unterwegs gewesen, nein, das schicke Video wollte ich nicht sehen, zahlen und fröhlich sein ist die Devise, allerdings habe ich bei der freundlichen Kontrolle festgestellt, dass meine Anhängerkupplung ziemlich angerostet ist, nichts was Besorgnis erregt, eher optisch peinlich. Was ist zu tun? Abschleifen und Rostschutzfarbe drauf. Mattschwarz lackieren und schon habe ich einen echten Beuys unterm Kofferraum und ich nenne meinen Felgenschlüssel jetzt Braunkreuz. Wie das geht? Das Rätsel um die geheimnisvolle Farbe habe ich im Werk des Meisters gelöst. Bei dem oft genutzten dunkelrot-braunen Farbton handelt es sich wohl um ein damals handelsübliches Rostschutzmittel. Ein Student der Hochschule Rhein-Waal soll das im Rahmen seiner Bachelor-Arbeit durch physikalisch-chemische Untersuchungen herausgefunden haben. Auch im „Das Schweigen von Marcel Duchamp wird überbewertet" findet sich die Farbe – mein alter Kadett (leider längst in China als Stahlträger wiederverwertet) hatte sie wohl auch. Eisen, Zink und Chrom waren drin. Der Krefelder Josef war eben ein echtes Kind des Ruhrgebiets. Es war Teil seiner Arbeit, dass seine kunstvollen Mythen künstlich waren. Dass jedoch die Arbeit im Ruhrgebiet künstlich zum Mythos gemacht wird, entwickelte sich längst zur endlosen Farce: Das Statement bin ich meiner Vätergeneration einfach schuldig.
Und es fügt sich die Rettung des verordneten Mythos auch nicht im Trivialen. Nicht in der Erinnerung an die Wasserbude an der Ecke, schon gar nicht an die Scheißmaloche in Zeche und Stahlwerk. Kein Mensch wäre damals auf die Idee gekommen in einem zukünftigen touristischen Zielgebiet zu leben und irgendwie haben auch heute noch viele eklatante Schwierigkeiten damit zu tun. Vielleicht ist das ja – ist ja auch bald Ostern – wie mit den Hasen, die schokoladige Eier legen. Alle folgen dem Brauch, glauben tut den biologischen Unsinn niemand, nicht einmal die Kindergartenkinder. Wollen wir uns also tatsächlich alle nur noch als Museumswärter einer untergegangen Kapitalismusstruktur bewerben? Dieser Gedanke kroch in mir hoch, als ein Freund aus Norddeutschland mir unvermittelt die Frage „Wie ist das denn in so einem Großraum-Museum zu leben?“ stellte. So hatte ich das noch nie gesehen. Kann es sein, dass wir alle als unbezahlte Handlanger für weiche Standortfaktoren missbraucht werden? Und das diese Choreografie des übertünchten Niedergangs immer weiter getrieben wird? Erst Kohle, dann Stahl und nun die Fertigungsstraßen für Automobile? Opel in Bochum, bald sandgestrahlte Hallen für diese immer gleichen Kulturveranstaltungen oder touristischen Parcours, die zeigen wo einst die B-Säule im Kadett eingeschweißt wurde? Langsam zerquetsche ich den Schokohasen.
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