Mit voller Hose lässt sich gut stinken ... und wer sechsstellige Beträge übrig hat, um sich ein schickes Motorboot an den Steg zu legen, wird kaum zählen, ob man damit im Sommer tatsächlich 30 Stunden auf dem Wasser unterwegs war oder doch weniger. Auf manchem See zählt eben, dass man’s überhaupt kann: in den Alpen wie im Bereich der Ruhr-Talsperren. Da wie dort sind neuerdings Elektroboote der exklusive Schlüssel zum Skipperglück.
Schauplatz Kärnten, Wörthersee: An seine 16 Kilometer Ausdehnung passen eine Menge Ufergrundstücke – doch ohne Bootslizenz kommt wenig Prestigeglanz auf. Die Erlaubnis zum flotten Karriolen hat die Landesregierung nämlich streng reglementiert. Genau 338 Motorboote sind nur zugelassen und Bootslizenzen werden vererbt oder teuer verkauft. „Unter Freunden kostet sie inzwischen 250.000 Euro“, erzählt Wolfgang Schmalzl. Der Bootsbauer (mit See-Lizenz) wusste, was zu tun war: Er legte die „Julika“ als Replika eines 60 Jahre alten Holz-Taxibootes auf Kiel, statt des 70-PS-Diesel allerdings nun von einem Elektromotor angetrieben. Dafür braucht es keine See-Genehmigung. Und Schmalzl ist damit bei weitem nicht der Einzige.
Limitierte Zugänge, Umweltbewusstsein oder nur die Freude am lautlosen Dahingleiten haben innerhalb weniger Jahre die E-Boot-Bauer von absoluten Exoten zu ... sagen wir beachteten Nischenvertretern gemacht. Am unteren Leistungs-Ende das Start-Up „Torqeedo“ aus Starnberg, wo man schon mehrere Hundert Elektro-Außenborder verkaufte. Oben vielleicht der Schweizer Traditionsbetrieb Boesch, dessen Top-Sportboote für 400.000 Euro per 80-kW-Doppel-Elektroherz auf Touren kommen und mit über 50 km/h die Welle machen. Die austrische Frauscher-Werft hat ihre „600 Riviera HP“ auf Brennstoffzelle und Wasserstoffbefeuerung umgerüstet. Und der Kreuzberger Mittelständler Thomas Meyer entwickelt Fahrgastschiffe mit Solar-Elektroantrieb, die beispielsweise in Singapur Touristen befördern.
Man muss freilich gar nicht so weit schauen: Ein wegweisendes 8,5-Meter-Boot mit Hybridantrieb entsteht nämlich gerade im Ruhrgebiet, zwei Autominuten vom Kemnader Stausee entfernt. In einer historischen Wittener Maschinenhalle arbeiten Bootsbauer Uwe Feller (35) und seine Crew an der nicht nur optisch recht futuristisch wirkenden „Dymax Power“. Ihr schlanker Rumpf besteht aus glasfaserverstärktem Sperrholz. Im Heck des 40 Knoten (75 km/h) schnellen Bootes steckt der Clou. „Unsere neue Yacht wird angetrieben von vier Motoren – zwei methanolbetriebenen Verbrennern mit zusammen 286 PS und zwei Elektromotoren“, erläutert der Designer. Den besonderen Kraftstoff erzeugt der Schweizer Partner Silicon Fire aus Solarstrom, Kohlenwasserstoff und dem Klimagas CO2. Das umweltfreundliche Wasserstoff-Methanol verbrennt sauber. Einziges Abfallprodukt: Wasser.
Manövrieren und langsame Vorausfahrt erfolgen mit reiner Elektrokraft. Die je 13 kW starken E-Motoren summen unhörbar leise. „Wenn unsere Dymax frühmorgens startet, geschieht das ohne Lärm. Da wird kein Skipper an Bord benachbarter Boote von einem brummigen Schiffsdiesel aus dem Schlaf geschreckt“, lacht Feller, der am britischen Lowestoft Boatbuilding College sein Handwerk erlernte. Ins Wasser kommen erste Exemplare des ab 200.000 Euro teuren Hybrid-Traumboots im Frühjahr. Ausgedehnte Probefahrten sollen im Mai auf dem Vierwaldstätter See folgen, dort, wo das Rein-Methanol-Powerboot schon seit vergangenem Jahr seine Runden dreht.
Längst haben sich die Elektroboote „alltagstauglich“ gezeigt, auch wenn aller Anfang „blei-schwer“ war. „Je nach dem, Kaffeefahrt oder Wasserski, reicht die Energie der hochmodernen Lithium-Akkus jetzt für 30 bis 80 Kilometer“, gibt Juniorchef Markus Boesch den aktuellen Entwicklungsstand bei den Schweizern wieder. Die Zukunft heißt: Bodensee-Längsachse hin und zurück, von Bregenz nach Bodman-Ludwigshafen, macht 127 Kilometer. Mit einer Akkuladung.
Auf dem Haupt-Ruhrgebietsfluss können E-Boote heute schon fahren - theoretisch: Bis zur Mülheimer Schlossbrücke ist die Ruhr Bundeswasserstraße, bis zur „Zornigen Ameise“ in Essen-Rellinghausen ein Wasserweg in Landeshoheit. Da ist alles erlaubt. Flussaufwärts dürfen nur noch DLRG und Fahrgastschiffe motoren. Boote mit E-Antrieb zu erlauben, wäre - etwa am Kemnader See - eine Chance für die Anliegerstädte. Der Anfang ist bereits gemacht: Für die bisher gesperrten Trinkwasser-Talsperren an Sorpe, Bigge, Möhne und Henne läuft gerade ein Genehmigungsverfahren der Bezirksregierung Arnsberg, das der Ruhrverband initiierte. Dort hat man freilich nicht Wasserski-Läufer, sondern stille Angler im Fokus. „Die wollen gerne auf den See, weil sie dort mehr fangen als am Ufer“, erklärt Ruhrverbands-Sprecher Markus Rüdel. Mit einem E-Außenborder soll das bald kein Problem mehr sein.
Übrigens: E-Mobilität gibt’s auf der Ruhr auch als Hausboot-Erlebnis. Der Mülheimer Verleiher Franke & Tiefenbach verleiht seit Jahren Tretpedal-bewegte „Escargots“, die vor allem flussaufwärts vor einem Elektromotor mitgeschoben werden. Ein Riesenspaß für Familien - und geübte Trampler-Waden schaffen es bei der typischen Wochenend-Tour (Fr. - So.) durchaus bis auf den Baldeneysee.
www.felleryachting.de
www.torqeedo.com
www.boesch-boats.ch
www.julika.at
www.gruene-flotte.de
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