Die Initiative „Seebrücke Wuppertal“, die gestärkt mit 2734 Unterschriften der BürgerInnen hoffte, Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD) und den Stadtrat bei der Hauptausschuss-Sitzung per Abstimmung zu einem klaren Signal für Seenotrettung über rechtliche Verteilerschlüssel hinaus zu bewegen, wurde in ihrer Hoffnung enttäuscht. Der Verteilungsschlüssel regelt, wie viele Geflüchtete eine Stadt aufnehmen soll. Die Seebrücke wünschte sich, die Aufnahme aus Seenot Geretteter nicht vorrangig davon abhängig zu machen, ob man das Soll bereits erfüllt hat oder nicht. Sondern unabhängig davon ein Signal für Seenotrettung zu senden und sich auch in Wuppertal für ein Kontingent aus Seenot Geretteter bereit zu erklären.
Vor der Überreichung der Unterschriften an den Oberbürgermeister und der anschließenden Abstimmung versammelte sich die Seebrücke um 15 Uhr unterstützt von lokalen Vertretern der Diakonie, Caritas, Amnesty International und der Flüchtlingshilfe Nordstadt zu einem Appell am Rathaus in Barmen. Dabei klärten sie die BürgerInnen noch einmal über die Lage im Mittelmeer, der „tödlichsten Grenze Europas“, auf und ermutigten die rund 50 Anwesenden zur Unterstützung ihres Antrags mit ihrer Unterschrift. Dem sind in den letzten Wochen bereits Aktionen, Mahnwachen wie auch eine Online-Petition der Initiative vorausgegangen.
Wie Pfarrer Martin Hamburger von der Diakonie beim Appell forderte, wünsche man sich, das Retten von Menschenleben und ihre menschenwürdige Aufnahme in den Vordergrund zu stellen, verwalterische und finanzielle Fragen seien dann der zweite nachrangige Schritt. Man habe aber das Gefühl, dass die Stadtverwaltung es umgekehrt sehe. Das bestätigte denn auch der Ablauf der Abstimmung im Hauptausschuss, die dem Wortlaut des Bürgerantrags der Seebrücke einen Verwaltungsvorschlag mit anderem Wortlaut entgegensetzte.
Der Bürgerantrag der Seebrücke wurde erst gar nicht zur Abstimmung vorgelegt, sondern mit dem Verwaltungsvorschlag umgangen, stattdessen über den Brief der drei Oberbürgermeister des Bergischen Städtedreiecks Wuppertal, Remscheid und Solingen an Bundeskanzlerin Angela Merkel abzustimmen, der keine Aufnahme für aus Seenot gerettete Asylbewerber über den Verteilerschlüssel hinaus thematisiert. Sondern die Verantwortung auf die Bundesebene und EU-Ebene weiterschiebt: Alle Städte seien auf Bundesebene dem Verteilungsschlüssel gemäß in die Pflicht zu nehmen, ebenso alle EU-Länder, erklärte der Oberbürgermeister.
Diese Forderung wird wohl wie früher schon in Ländern wie Italien, Ungarn oder Polen auf wenig Gegenliebe stoßen und Bundeskanzlerin Merkel und die Regierung diesbezüglich wenig ausrichten können, die Uneinigkeit der EU bezüglich der Aufnahme Geflüchteter und ihrer Verteilung ist ja kein neues Thema. Angesichts der Tatsache, dass der Verteilerschlüssel auch auf Bundesebene wieder bloß verwalterische und finanzielle Fragen in den Vordergrund stellt, wird deutlich, dass dieser Brief wenig mit dem Signal zu tun hat, das die rheinischen Städte Köln, Düsseldorf und Bonn sowie auch das bergische Solingen kürzlich als „Hafenstädte“ ausgesendet haben: Ihre klare Bereitschaft für die Aufnahme eines Kontingents aus Seenot geretteter Asylbewerber und damit für das Retten von Menschenleben – ein Signal der Solidarität mit den Seenotrettern auf dem Mittelmeer, ein Signal, das Ertrinken im Mittelmeer zu stoppen und den Geretteten eine menschenwürdige Aufnahme zu ermöglichen, eben ein Signal, Menschlichkeit verwalterischen und finanziellen Fragen vorzuordnen. Wohlgemerkt schließt das eine das andere ja nicht aus, wie das Beispiel Solingen beweist.
Der den Bürgerantrag umschiffende Verwaltungsvorschlag wurde im Hauptausschuss knapp mehrheitlich angenommen, immerhin: Die Fraktionen von Die Linke wie auch Bündnis 90/Die Grünen, deren Ratsmitglieder dem Verwaltungsvorschlag nicht zustimmten, haben den Wortlaut des Bürgerantrags der Seebrücke Wuppertal auf die Tagesordnung der Stadtratssitzung am 24. September gesetzt. Derweil wird die Initiative rechtlich der Frage nachgehen, inwiefern ein solcher Umgang mit einem Bürgerantrag überhaupt legitim ist.
Noch ist also der Bürgerantrag nicht komplett vom Tisch, doch die Seebrücke muss sich nun selbst mit der vorgeführten verwalterischen Macht auseinandersetzen statt sich vollends auf ihre Priorität konzentrieren zu können: Ihren vorrangingen Appell für das Retten von Menschenleben.
Nachtrag: In der Stadtratssitzung vom 24. September ist der Antrag der Initiative rund eine Stunde diskutiert worden. Er wurde abgelehnt.
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