Die Welt von Heerführer Macbeth ist allzeit geschützt durch einen Körperscanner. Obwohl das Piepen niemanden zu interessieren scheint. Egal wer die zentral auf der Bühne stehende rollende Tür durchschreitet – es piept. Unbewaffnet ist also niemand in der interessanten „Macbeth“-Version von Claudia Bauer am Wuppertaler Schauspielhaus. Es geht um den „großen Mord“, um Karriere als universelle Lebensform, auch wenn der zu Beglückende gar nicht will, oder zumindest nicht danach drängt. Doch die schicke Lady Macbeth (Sophie Basse) weiß, was sie will. Schon beim Entree, bei dem das ungleiche Paar die Zuschauer per Handschlag begrüßt, moderiert sie offen ihre neureichen Ziele ins Mikro. Das wird schneller gehen, als sie denkt, im Hintergrund lauern schon die Hexen im Nebel. Daniel Breitfelder, Sebastian Stert und Marco Wohlwend spielen sie als Ausgeburten eines Horrorfilms, mit langen Perücken, in zerrissenen Strumpfhosen und in einem Interieur aus Müllresten, Puppengliedern und Dreck. Dazu spielen die drei alle anderen Rollen, und allein die Kostümwechsel sind eine lustvolle Angelegenheit. Claudia Bauer hinterfragt in ihrer Inszenierung auch die Wirkung von Fremdsteuerung hoher Persönlichkeiten, die, ohne dass sie wollen, nach kurzer Zeit in einen unaufhaltbaren Strudel von Macht und Gier nach Geltung gezogen werden. Macbeth wird dabei eigentlich nur zur Projektionsfläche der Träume seiner Gattin, und „Sitting on the top of the world“, der alte Bob Wills-Countryschinken, wird zum Running-Song quer durch den Klassiker, in dem natürlich blutig gemordet, elysisch gehaucht und eklig mit Erde rumgeschmiert wird.
Doch zu viel Trash führt irgendwann zu überreizter Aufmerksamkeit, selbst wenn die Transformation vom treuen Heerführer zum recht dilettantischen Königsmörder nur über typische Partnerschaftsstreitereien gelingen will, die heute gern vor den Flachbildschirmen der Nation konsumiert werden. Als Gegenentwurf hängt ein oller Ölschinken auf der Bühne, der die Landschaft außerhalb des Hexenkessels zeigt, mit dem Wald, der eben immer wieder seit Shakespeares Uraufführung zu Macbeths Untergang führt. Und den hat Claudia Bauer mit sehenswerter Choreographie und Personenführung im Griff. Jetzt muss das Töten in die richtige Reihenfolge gebracht werden. Zuerst König Duncan, dann dessen Diener. Dann der alte Kumpel Banquo, die Familie von Kampfgefährte McDuff und so fort. Hat Macbeth den ersten Mord noch widerwillig selbst erledigt, heuert er bei Claudia Bauer den einfältigen Killer (Marco Wohlwend) an, dessen Spielweise stark den Klamauk streift, auf der Bühne hat sich der Unrat längst von links nach rechts ins schicke Wohninterieur verbreitert, die aufgeteilten Welten schmieren zusammen. Holger Kraft schmiert seinen Macbeth ins Finale. Sein Königreich fällt, seine Ehe ist nur noch ein Scherbenhaufen, die Lady legt sich im Morgenmantel zum erschöpften Sterben. Dann wandern die Bäume, die Prophezeiungen erfüllen sich. Die Hexen spielen ein wenig mit den leblosen Körpern und verbeugen sich für ihr Arrangement.
Macbeth I So 12.12., 18 Uhr
Kleines Schauspielhaus Wuppertal I 0202 569 44 44
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Es geht auch darum, wer der Stärkere ist“
Regisseur Peter Wallgram über „Monte Rosa“ am Theater am Engelsgarten – Premiere 11/24
Schäferwagen und Hexenhaus
„Hänsel und Gretel“ am Opernhaus Wuppertal – Auftritt 11/24
Ohne Firlefanz
Premiere von „Salome“ im Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 10/24
„Im Stück steckt ganz viel Politik drin“
Regisseurin Barbara Büchmann über „Der einzige Mann am Himmel bin ich“ in Wuppertal – Premiere 10/24
Das schöne Wesen aller Dinge
Festival Spielarten 2024 in NRW – Prolog 09/24
„Macht und Machtspiele“
Intendant Thomas Braus über die neue Spielzeit am Wuppertaler Schauspiel – Premiere 09/24
Zahlreiche Identitäten
6. Hundertpro Festival in Mülheim a.d. Ruhr – Prolog 08/24
„Eine andere Art, Theater zu denken“
Dramaturg Sven Schlötcke über „Geheimnis 1“ am Mülheimer Theater an der Ruhr – Premiere 08/24
Weltstars in Wuppertal
Größen der Rock- und Pop-Szene gastieren im LCB – Porträt 07/24
Unterhaltsame Kurzweil
„Die lustigen Weiber von Windsor“ am Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 07/24
„Schauspielerfahrung schult perspektivisches Denken“
Schauspieler Thomas Ritzinger hat mit „Die letzte Nachtschicht“ einen Roman geschrieben – Interview 07/24
Bewegte Geschichte
Soziokulturelles Zentrum Die Börse in Wuppertal – Porträt 06/24
„Wir sind eher im sozialkritischen Drama zuhause“
Regisseur Peter Wallgram über „Woyzeck“ am Wuppertaler Theater am Engelsgarten – Premiere 06/24
Jack the Ripper im Opernhaus
Ausblick auf die Spielzeit der Wuppertaler Bühnen – Bühne 05/24
Richtig durchgestartet
Der Wuppertaler Verein Insel – Porträt 05/24
Ethel Smyth und Arnold Schönberg verzahnt
„Erwartung / Der Wald“ im Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 05/24
„Eine Geschichte, die keinen Anfang und kein Ende hat“
Die Choreograph:innen Thusnelda Mercy und Pascal Merighi über „Phaedra“ in Wuppertal – Premiere 05/24
Auf die Melancholie die Liebe
Theatergruppe Bamboo inszeniert frei nach Georg Büchner – Bühne 04/24
Teuflischer Plan
Senecas „Phaedra“ am Theater am Engelsgarten – Prolog 04/24
„Es geht nicht mehr um den romantischen Naturort“
Manuel Schmitt inszeniert „Erwartung / Der Wald“ an der Oper Wuppertal – Premiere 04/24
Von der Liebe enttäuscht
Premiere von Georg Friedrich Händels Oper „Alcina“ in Wuppertal – Auftritt 04/24
„Das Klügste ist, dass man die Polizei gar nicht sieht“
Anne Mulleners inszeniert „Falsch“ am Wuppertaler Theater am Engelsgarten – Premiere 03/24
„Wir hoffen, dass die Geschichte neu wahrgenommen wird“
Regisseurin Julia Burbach inszeniert „Alcina“ an der Oper Wuppertal – Premiere 02/24
„Der Roman lässt mich empathisch werden mit einer Mörderin“
Regisseur Bastian Kraft über „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ – Premiere 01/24
„Wir haben uns absolut gegen den großen Stein entschieden“
Regisseurin Hannah Frauenrath über „norway.today“ am Theater am Engelsgarten – Premiere 12/23