Die Ausstellung „Hairytales“ im Düsseldorfer Museum Kunstpalast behandelt den künstlerischen und gesellschaftlichen Umgang mit Körperbehaarung in Vergangenheit und Gegenwart. Ein Gespräch mit Kuratorin Ellen Haak.
engels: Frau Haak, ob es windet oder schneit, die Frisur sitzt. Ich denke, es geht in der Ausstellung nicht um Drei-Wetter-Taft?
Ellen Haak: Nein, darum geht es tatsächlich nicht! Im Zentrum der Kabinettausstellung steht die weibliche Körperbehaarung und damit verbundene gesellschaftliche Diskurse und Praktiken. „Hairytales“ ist Teil der Spot On-Reihe im Kunstpalast und wird im Wechselausstellungsraum des Sammlungsrundgangs zu sehen sein. Die Ausstellung widmet sich den haarigen Geschichten in unserer Sammlung und präsentiert insgesamt 26 Werke und Objekte aus verschiedenen Abteilungen. Das Spektrum reicht von Malerei, Fotografie, Grafik bis zu Design aus der Zeit vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Interessant ist, dass der Fokus davon bestimmt wurde, was die Sammlung hergegeben hat, denn als ich mit der Konzeption angefangen habe, wollte ich eine Ausstellung zu männlicher und weiblicher Körperbehaarung machen.
Gibt es keine männliche Köperbehaarung im Kunstmuseum?
Sie ist nicht ausreichend vertreten, das muss man ehrlicherweise sagen. Natürlich könnte ich jedes Gemälde zeigen, auf dem ein Haarschopf oder ein Bart zu sehen ist, aber ich habe nach Werken gesucht, die von der Kulturgeschichte und aktuellen Diskursen rund ums Haar erzählen. Es sind zum Beispiel drei Arbeiten von Rebecca Racine Ramershoven zu sehen, die gerade ihren Abschluss an der Folkwang Universität der Künste in Essen macht. Sie beschäftigt sich mit Schwarzer Identität und den Erfahrungen von People of Color in einer weißen Mehrheitsgesellschaft. Die Fotografien zeigen Close-Up-Aufnahmen (Nahaufnahmen, Anm. d. Red.) von Frisuren und Hairstyles und waren ein Ausgangspunkt für die Konzeption meiner Ausstellung. Eine Fotografie zeigt geflochtene Braids (Flechtzöpfe, Anm. d. Red.), die mit Perlenhaarspangen verziert sind. Die Arbeit verhandelt Aspekte der Repräsentation und Selbstermächtigung und erzählt von Schwarzem Stolz.
Befasst sich die Ausstellung auch mit der Frage nach kultureller Aneignung im Kontext von Frisuren?
Nein, das kommt nicht vor. Aber wir haben beispielsweise mit Julian Westermann eine Position, die sich mit Körperpolitiken und Geschlechterfragen auseinandersetzt. Seine Arbeit „Forever“ besteht aus einem mit künstlicher Schambehaarung versehenen goldenen Body. Die mit dem hohen Beinausschnitt verwobenen Kunsthaare lassen einen über den Einfluss der Modeindustrie auf unsere Körperbehaarung nachdenken. Mode steht in engem Zusammenhang mit der Normierung und Reglementierung des weiblichen Körpers. Die Kleidung wurde im Laufe des letzten Jahrhunderts zusehends luftiger und freizügiger und legte immer mehr nackte Haut frei. Das hat dazu geführt, dass auch immer mehr Haare weichen mussten. Im 19. Jahrhundert stand die Entfernung der Gesichtsbehaarung im Vordergrund. Mit dem Aufkommen von ärmellosen Kleidern und kürzeren Röcken geriet die Achsel-, Arm- und Beinbehaarung ins Visier und schlussendlich musste auch die Intimbehaarung weichen.
Wie verhält sich die Ausstellung zum Sexismus?
Das war mir sehr wichtig mit abzubilden. Mich hat interessiert, welche Schönheitsideale und vermeintliche Normen in der Sammlung aufgegriffen werden. Üppiger Haarwuchs bei Frauen ist in den visuellen Medien kaum vertreten, oft ist nur eine sehr leichte oder gar keine Behaarung zu sehen. Der haarlose Körper wird als ein Ideal stilisiert und wir sehen ihn als normal an. Ich habe die gesamte fotografische Sammlung nach einer Aufnahme, die weibliche Achselbehaarung zeigt, durchforstet. Die Suche war leider erfolglos. Deshalb habe ich eine Gruppe aus Akt- und Modefotografie zusammengestellt, die dieses gewohnte Bild des haarlosen Körpers widerspiegelt. Darunter ist ein Werk von Yva, sie war in den 1920er Jahre eine sehr erfolgreiche Mode- und Porträtfotografin. Die Aufnahme ist auf 1927/28 datiert und zeigt eine junge Frau mit entblößtem Oberkörper und einer gänzlich von Haar befreiten Achsel. Mich hat sehr erstaunt, darauf bei einem fast hundert Jahre alten Abzug zu stoßen. Neben Yva habe ich auch eine Arbeit von Jeanloup Sieff ausgewählt. Ein französischer Fotograf, der für Vogue, Harper‘s Bazaar und Elle gearbeitet hat. Das Close-Up zeigt eine Hand, aufgestützt auf eine Hüfte. In dieser Nahaufnahme wird lediglich ein leichter Flaum sichtbar, der sich schimmernd über die Haut zieht. Ein weiteres Werk in der Gruppe ist eine von Ewald Hoinkis fotografierte Werbung für die Strumpfhosenmarke Elbeo aus den 1950er Jahren. Unter der dort in Szene gesetzten Feinstrumpfhose sind ebenfalls keine Haare zu erkennen.
Liegt das daran, dass die Kunst- und Museumsszene bis heute noch von Männern und deren Blick dominiert wird?
Ich denke schon, dass sich auch in einer musealen Sammlung die patriarchalen Gesellschaftsstrukturen widerspiegeln. Über mehrere Jahrhunderte war der männliche Blick bestimmend – das ändert sich nach und nach. Ich habe versucht, in der Ausstellung neben männlichen auch vielen weiblichen Positionen Raum zu geben. Aber in der gerade erwähnten Gruppierung ist nur eine Fotografin vertreten, und sonst sind es Männer, die auf Frauenkörper blicken.
Wer sind die Göttinnen der Renaissance?
Damit sind die Kupferstiche von Heinrich Aldegrever gemeint. Ein besonderer Fund in der Graphischen Sammlung des Kunstpalastes, über den ich mich sehr gefreut habe. Die Darstellung von Nacktheit erlebte in der Renaissance eine Blüte. Die Scham blieb jedoch meist durch eine Hand oder ein Blatt verdeckt. Aldegrever hat Figuren aus der römischen Mythologie, wie Diana, die Göttin der Jagd, mit sehr kunstvoll ausgearbeiteter Schambehaarung abgebildet. Die Kupferstiche sind in der Ausstellung in der Nähe des goldenen Bodys von Julian Westermann zu sehen.
Frisuren scheinen immer weniger Geschlechterzuschreibungen zu repräsentieren. Wie transportieren sie die Inhalte für die Betrachter?
Ich habe mich am Sammlungsrundgang orientiert und zu allen Werken einen Text geschrieben, der auf Objektschildern neben den Arbeiten gelesen werden kann. Da ich die Sammlung mit einem bestimmten Fokus betrachtet habe, war es mir wichtig, meine Recherchen mit der Präsentation zu verweben und ja, es ist tatsächlich eine textlastige Ausstellung geworden. Aber nur für Besuchende, die Lust haben einzusteigen. Man kann die Werke auch so auf sich wirken lassen.
Hairytales | bis 27.10. | Museum Kunstpalast, Düsseldorf | 0211 56 64 21 00
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