Im Interview spricht Kuratorin Isabelle Meiffert über die Auftaktausstellung der neu eröffneten Kunsthalle Barmen in Trägerschaft der Bergischen Universität Wuppertal. „Shared Spaces“ setzt sich mit gesellschaftlichem Zusammenhalt auseinander.
engels: Frau Meiffert, ich habe das üppige Bankett zum Eröffnungstag gesehen. Zuerst kommt also das Fressen und dann die Kunst – kann man das so nach Brecht herunterbrechen?
Isabelle Meiffert: Nein. Es kommt kein großes Fressen. Wir eröffnen die Ausstellung, und die Besucher:innen dürfen sich nach den Eröffnungsreden erst alle Werke ansehen. Das Bankett wird erst später eröffnet.
Die Ausstellung soll laut Ankündigungstext eine Einladung sein, „die Stärken von Gemeinschaften zu erkunden und einander neu zu begegnen“. In Zeiten eines vergifteten gesellschaftlichen Klimas – glauben Sie, die richtigen Menschen schauen sich die Ausstellung an?
Na ja, was sind die richtigen Menschen? Es geht uns darum, unterschiedliche Menschen zusammenzubringen. Wir halten für sehr wichtig, dass wir uns begegnen, physisch vor Ort, und dass wir uns miteinander austauschen. Wir erhoffen uns, dass Menschen aus der Universität kommen, aus der Nachbar:innenschaft und aus der überregionalen Kunstszene. Wir sind wahnsinnig gespannt darauf, wer unser Publikum ist. Das ist auch ein großes Experiment für uns, und wir haben künstlerische Arbeiten ausgewählt, die dieses Potenzial haben. Da steht beispielsweise die Sauna „Hot Cube public luxury“ von Baltic raw org auf dem Vorplatz, und die lädt alle Menschen ein, die da über den Vorplatz laufen – die müssen auch gar nicht in die Kunsthalle reingehen – dort kostenfrei zu saunieren. Es gibt dort auch Badetücher und Badelatschen. Das ist dann eine soziale Praxis innerhalb eines sonst eher konsumorientierten Umfeldes einer Einkaufsstraße. Das wird kommuniziert in sechs verschiedenen Sprachen, in Arabisch, Türkisch und Ukrainisch, Italienisch, Englisch und Deutsch. Es geht mir also nicht so sehr um die richtigen Menschen, sondern darum, dass hoffentlich sehr unterschiedliche Menschen aufeinandertreffen.
Was kriegen die Besucher:innen denn in der Kunsthalle zu sehen – oder auch zu riechen?
Das sind ganz unterschiedliche künstlerische Arbeiten. – Es gibt eine Lichtinstallation „We close our eyes and see a flock of birds“ von Ivana Franke, das ist ein kleiner runder Raum, da kann man zu fünft reingehen und soll die Augen schließen. Über LEDs an der Außenwand, die auf einer bestimmten Frequenz flackern, hat man dann ein ganz intensives Wahrnehmungserlebnis. Das ist eine sehr immersive, eindrückliche Arbeit. Ivana Franke, eine renommierte kroatische Künstlerin, wird hier gar nicht so viel gezeigt. Dann gibt es skulpturale Arbeiten von Rita McBride und von Common Ground. Das ist ein Künstler:innenkollektiv, das sich extra anlässlich dieser Ausstellung gegründet hat, und da sind Professor:innen, Lehrende und Studierende der Kunstakademie Düsseldorf drin, aber auch Wuppertaler Künstler:innen. Die Gruppe reagiert auf eine Skulptur von Paul Budniewski und aktiviert sie von Zeit zu Zeit und trägt sie in den Stadtraum. Zuschauer:innen sind dann eingeladen, diese künstlerische Arbeit mit zu aktivieren.
Die Installation von Heiner Franzen mit Videos von schweigenden Nachrichtensprecher:innen wird nicht allen gefallen, oder?
Es geht mir nicht darum, eine Ausstellung zu machen, die jedem gefällt. Ich möchte eine Ausstellung machen, die Menschen aktiviert, bewegt, inspiriert und zum Nachdenken anregt. Das geschieht auf unterschiedlichen Ebenen. Wenn man beispielsweise oben in den Ausstellungsraum reinkommt wird man eben begrüßt von neun schweigenden Nachrichtensprecher:innen, die überlebensgroß auf Monitoren zu sehen sind. Das ist Found Footage, und ich fand das sehr irritierend davor zu stehen.
Mich hat das eher an den Begriff „Lügenpresse“ erinnert.
Es gibt sehr viele unterschiedliche Reaktionen von Besucher:innen davor. Fast alle Arbeiten der Ausstellung haben gemeinsam, dass sie irgendwie auch körperlich funktionieren. Das ist hier auch so. Ich finde das auch aufgrund der Größe als unangenehm und irritierend. Ich frage mich, ob ich jetzt dran bin, ob ich jetzt sprechen soll.
Hatte Wuppertal bzw. das Bergische Land einen Ort für zeitgenössische Kunst nötig?
Ich würde es immer positiv formulieren. Ich glaube, es ist eine ganz tolle Chance. Ich persönlich wachse ja auch durch Kunsterfahrung – und das ist, was ich weitergeben möchte, warum ich kuratiere und Ausstellungen mache. Die neue Kunsthalle ist für uns ein lebendiger und inspirierender Ort mit Gegenwartskunst und auch Design, der in die Gesellschaft hereinragt.
Welchen Mehrwert hat die Ausstellung für die Studierenden der Bergischen Universität?
Die Studierenden sind schon jetzt in viele Prozesse eingebunden. Das ist ja unser Alleinstellungsmerkmal, und ich finde es fantastisch, dass es eine Universität gibt, die sich eine Kunsthalle leistet. Wir haben mit den Studierenden die Ausstellungsräume oben aktiviert, wir haben Ausstellungsmöbel entworfen und gebaut. Wir stellen die Bauanleitungen auch zur Verfügung. Wir haben das Foyer in enger Zusammenarbeit mit dem Haus der Jugend neu- und umgestaltet, das sind ja unsere Nachbar:innen hier im Haus. Wir haben ein Leitsystem auf dem Boden entwickelt, das durch das Haus führt, und es für Besucher:innen leichter macht, sich hier zu orientieren. Und da gibt es Designstudierende, die sich mit künstlicher Intelligenz beschäftigen und die eine interaktive Installation präsentieren werden. Besucher:innen können der KI Fragen stellen – und die reagiert nur mit Emotionen, was ja sehr ungewöhnlich ist.
Shared Spaces | bis 11.1. | Kunsthalle Barmen, Wuppertal | kunsthallebarmen.de
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