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Ausstellungsansicht „Hannibal“, Latefa Wiersch
Foto: Jens Franke

Hannibal, ungeschönt

17. März 2025

Latefa Wiersch im Dortmunder Kunstverein – Kunst 03/25

In der Hochhaussiedlung Hannibal II in Dortmund-Dorstfeld verbrachte Latefa Wiersch (geb. 1982) ihre Jugend, als Tochter eines marokkanischen Hoesch-Arbeiters. Als umtriebige Multimedia-Künstlerin, mittlerweile in Zürich beheimatet, inszeniert sie nun in Dortmund ein aufwendiges Heimspiel: mit viel Hannibal-Flair, persönlichen Erinnerungssplittern und ihren eigenwilligen Puppen. Der Kunstverein präsentiert sich durch Raumeinbauten völlig verändert: Eine angedeutete weiße Hochhausfassade mit Balkonen verbindet meterhoch die untere Ebene mit der oberen Galerie. Diese Kulisse bevölkert die Künstlerin mit ihren Geschöpfen, die sie für ihre Ausstellungen immer neu einkleidet und arrangiert, wie mit symbolisch aufgeladenen Devotionalien rund um ihren einstigen Lebensraum. Eine Kindheit im Pott als nicht-weiße Deutsche in den 80ern – nein, lieblich ist hier nichts. Doch es gibt viel zu entdecken, ein Textblatt hilft, Anspielungen zu entschlüsseln. Wenn man mag.

Die hohen Schaufensterfronten geben von außen den Blick frei auf bunte Figuren, auf Rollern, turnend, abhängend, herumstehend. Mit ihren vernähten Gesichtern und Gliedmaßen aus Fundstücken, Holz, Plastik und Metall wirken Wierschs Kreaturen zunächst wie grob zusammengeflickte Zombies aus Frankensteins Gruselkabinett. Bedrohliche Klänge aus dem Off verstärken im Raum das anfängliche Unbehagen. In der Annäherung passiert Unerwartetes: Der Grusel schwindet, die Figuren entpuppen sich als ausdruckstarke Persönlichkeiten. Mal sind es Doppelgängerinnen der Künstlerin, z.B. als Supergirl auf dem Kindermotorrad. Es gibt eine Spielhöhle auf dem Balkon, Mobiles aus Kleinkram, ein Jugendzimmer mit Fernsehwand zur Zeit der Videoclips auf Viva, dunkle Stiefel, weißbestrumpfte Beine mit Turnschuhen. In allen kargen Ecken ist was. Hier ein Schwarzer Mann, dort der deutsche Großvater, auf dem Galeriebalkon ein Marokkaner mit melancholischem Blick in die Ferne. Die dräuenden Klänge entstammen Wierschs Stop-Motion-Animation „Original Features“, die jene Vaterfigur in die marokkanische Landschaft stellt und mit dem 2017 zwangsgeräumten, heute noch leerstehenden Dortmunder Hochhauskomplex verbindet. Auch Hannibals Elefanten sind als Stofftier präsent – ein vieldeutiges Panoptikum, das anrührt und persönliche Zeitreisen anstößt.

Latefa Wiersch: Hannibal | bis 13.4. | Dortmunder Kunstverein | 0231 578736

Claudia Heinrich

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