Vielleicht, weil sie ihrer großen Liebe zu sich selbst treu blieb, ist Evita Perón zu einer legendären Figur undeiner Heldin der argentinischen Geschichte geworden, zu einer schillernden Mischung aus Femme fatale, Muse und Feministin, die ihre angeheirateten Millionen unerschrocken für die Armen hingab. Als sie 1952 starb, ging ein ebenso glamouröses wie kämpferisches Leben zu Ende, dessen Faszination bis heute anhält. Andrew Lloyd Webber und Tim Rice machten Evita in ihrem gleichnamigen Musical mit Nummern wie „Don’t Cry for Me Argentina“ unsterblich. „Dass sie so früh gestorben ist, ist ideal für den Mythos“, sagt Aurelia Eggers. Die Regisseurin, die sonst im Opernfach zu Hause ist und jetzt für die Wuppertaler Bühnen das berühmte Musical inszeniert, findet diese „Lebensgeschichte inklusive der vielen Ungereimtheiten spannend. Auch im politischen Sinne.“ Denn woher der Reichtum des Diktators Juan Perón kam, was es mit der sogenannten Nazi-Goldaffäre auf sich hatte, konnte ja nie ganz geklärt werden. „Es ist eine wirklich spannende Story, die erzählt wird“, sagt Aurelia Eggers. Als „große Herausforderung“ und „vor allem großen Spaß“ begreift die Regisseurin die Arbeit an „Evita“, dieser, wie sie urteilt, perfekt durchkomponierten Rockoper, in der sich Tanzszenen zurückhalten und Sprechszenen Mangelware sind. Bei dieser Arbeit „geht es um unterhaltende Effekte.“
Das Herz Argentiniens
Vielleicht auch deshalb lassen sich bestimmte Dinge rund um die uneheliche Tochter aus der Provinz, die zurglamourösen Präsidentengattin aufsteigt,schlichtweg nicht ausloten, wie Eggers fortführt. 26 Musiknummern werden in etwa 15 Bildern aus der Zeit der 30er, 40er und 50er Jahre erzählt, für Wuppertaler Verhältnisse ist es eine Großproduktion mit diversen Kostümwechseln, großem Orchester und ebensolcher Kulisse. Auch interessant dürfte die Kombination des Ensembles sein. Sopranistin Banu Böke singt die Titelrolle, Bariton Olaf Haye übernimmt die Rolle des argentinischen Diktators Juan Perón. Beider Geschichte wird von Che Guevara, der in der Realität den Peróns nicht begegnete, erzählt. Im Musical avanciert er zum kritischen Kommentator, Musical-Sänger Patrick Stanke, gebürtig aus Wuppertal, schlüpft in seine Rolle.
Pompöse Bilder, große Stimmen
Eine ebenso stimmige wie bündige Inszenierung kommt auf die Bühne, bei der Aurelia Eggers eine Videoproduktion besonders wichtig ist. Zu Beginn des Stücks wird ein Filmausschnitt gezeigt, wie sie erzählt. „Die Verschwenderin“ lautete der deutsche Filmtitel Evitas erster Hauptrolle – von der sie später sämtliche Kopien vernichten ließ. „Mit unseren Hauptdarstellern haben wir diese Filmszene nachgedreht, inklusive historischer Kostüme“. Diese Szene ist auch deshalb wichtig, weil Evita nun mal als Schauspielerin gearbeitet hat, ehe sie Juan Perón kennenlernte und heiratete. „Die Frage ist ja, was in ihrem Leben echt war, und was sie gespielt hat.“Durch gezielte Affären mit immer einflussreicheren Männern nutzt sie jede sich ihr bietende Möglichkeit zum gesellschaftlichen Aufstieg. Bis sie in Armee-Oberst Juan Perón schließlich ihr männliches Pendant findet. Öffentlichkeitswirksame Auftritte – „Don’t cry for me, Argentina“ – machten sie letztlich unsterblich.
„Evita“ I 1.6.19.30 Uhr I Teo Otto Theater Solingen I 0212 20 48 20
Preview: 7.7. 19 Uhr I Opernhaus Wuppertal I 0202 563 76 66
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Überleben, um zu sterben
Bund will bei der Freien Szene kürzen – Theater in NRW 09/24
Auf die Melancholie die Liebe
Theatergruppe Bamboo inszeniert frei nach Georg Büchner – Bühne 04/24
And the winner is …
Auswahl der Mülheimer Theatertage – Theater in NRW 04/23
„Fabulieren, was möglich sein könnte“
Anne Mahlow über das Dortmunder Favoriten Festival – Premiere 08/22
Darlehen als Psychospiel
Schauspiel Remscheid bringt Stück des Grönholm-Autors
Von wegen „unaufführbar“
Das avantgardistische Fragment „IchundIch“ als Gesamtkunstwerk – Auftritt 08/19
„Was ist überhaupt gut, was ist böse?“
Dedi Baron und Thomas Braus über „IchundIch“ in Wuppertal – Premiere 07/19
Die Brandschutz-Lobby
Eine Sprinkleranlage flutet das Duisburger Theater – Theater in NRW 05/19
Die Transparenz der Communities
Offener Brief zur Kölner Intendanzsuche – Theater in NRW 04/19
Evolution durch Overkill
Nils Voges und sputnic inszenieren „Metropolis“ in Essen – Auftritt 04/18
„Der Kasper hat sich von keiner Autorität unterkriegen lassen“
Fidena-Chefin Annette Dabs zum Jubiläum unter dem Motto „resist“ – Festival 04/18
Gladiatoren, die in der Arena weinen
„Konsens“ im Düsseldorfer Central am Bahnhof – Auftritt 02/18
„Es geht auch darum, wer der Stärkere ist“
Regisseur Peter Wallgram über „Monte Rosa“ am Theater am Engelsgarten – Premiere 11/24
Schäferwagen und Hexenhaus
„Hänsel und Gretel“ am Opernhaus Wuppertal – Auftritt 11/24
Ohne Firlefanz
Premiere von „Salome“ im Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 10/24
„Im Stück steckt ganz viel Politik drin“
Regisseurin Barbara Büchmann über „Der einzige Mann am Himmel bin ich“ in Wuppertal – Premiere 10/24
Das schöne Wesen aller Dinge
Festival Spielarten 2024 in NRW – Prolog 09/24
„Macht und Machtspiele“
Intendant Thomas Braus über die neue Spielzeit am Wuppertaler Schauspiel – Premiere 09/24
Zahlreiche Identitäten
6. Hundertpro Festival in Mülheim a.d. Ruhr – Prolog 08/24
„Eine andere Art, Theater zu denken“
Dramaturg Sven Schlötcke über „Geheimnis 1“ am Mülheimer Theater an der Ruhr – Premiere 08/24
Weltstars in Wuppertal
Größen der Rock- und Pop-Szene gastieren im LCB – Porträt 07/24
Unterhaltsame Kurzweil
„Die lustigen Weiber von Windsor“ am Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 07/24
„Schauspielerfahrung schult perspektivisches Denken“
Schauspieler Thomas Ritzinger hat mit „Die letzte Nachtschicht“ einen Roman geschrieben – Interview 07/24
Bewegte Geschichte
Soziokulturelles Zentrum Die Börse in Wuppertal – Porträt 06/24
„Wir sind eher im sozialkritischen Drama zuhause“
Regisseur Peter Wallgram über „Woyzeck“ am Wuppertaler Theater am Engelsgarten – Premiere 06/24