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In der „Innovation City Ruhr“ Bottrop gehört Friedrich Werner zu den Pionierbetreibern einer zukunftsträchtigen Brennstoffzellen-Heizung
Foto: Tom Jost

Im Gleichschritt mit Plochingen und Plüderhausen

25. April 2013

An Rhein und Ruhr produzieren die ersten Brennstoffzellen-Heizungen Strom und Wärme – Innovation 05/13

Die deutschen Locations, in denen sich zuletzt energetisch Wunderliches vollzog, heißen: Plochingen, Drochtersen, Ötigheim und Plüderhausen. Na ja … und Bottrop. Wobei man in der „Innovation City Ruhr“ – fairerweise bemerkt – ein bisschen schneller dran war als in jenen niedersächsischen und badischen Weilern. Alle Orte eint, dass hier gerade die häusliche Heiz- und Stromerzeugungs-Zukunft ausprobiert wird. Und zwar mit Brennstoffzellen.

Es ist keine typische Erfindung des 21. Jahrhunderts, nicht einmal des Zwanzigsten. Zwar mühen sich diverse Automobilbauer im Wettstreit um staatliche Forschungsmillionen, dem „Next big thing“, also dem emissionslosen Antrieb mit Wasserstoff und Sauerstoff, einen Anstrich von Super-High-Tech zu geben. Doch die Grunderkenntnis, dass man Wasser in seine Teile zerlegen, aber diese Elektrolyse auch mit Energiegewinn umkehren kann, hat schon mehr als 170 Jahre auf dem Buckel. Ein englischer und ein deutscher Forscher machten zeitgleich dieselbe Entdeckung. Der erste Lehrstuhlinhaber für Physikalische Chemie in Leipzig, Wilhelm Ostwald, schwärmte 1887 von der technischen Umwälzung, die selbst die Dampfmaschine in den Schatten stelle. Und „wie sich das Aussehen unserer Industrieorte ändern wird! Kein Rauch, kein Ruß, keine Dampfmaschine, ja kein Feuer mehr …“ In der Folgezeit stellten sich dummerweise die üblichen Probleme ein (zu wenig Leistung, zu teuer), so dass Brennstoffzellen ausschließlich Akteuren ohne Budgetnot vorbehalten blieben: Weltraumfahrt und Militär.

Inzwischen ist wieder Schwung im Zellen-Plan. Dass viele Autokonzerne an dem neuen Antrieb dran seien und ab 2014 mit Tausender-Flotten auf der Bildfläche erscheinen, findet Prof. Werner Tillmetz vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW) in Ulm schon erfreulich: „Allein Daimlers B-Klasse Fuel Cell ist ein Traum.“ Ein bisschen stärker fokussiert er jedoch die immobilen Anwendungen. So sei die Kraftwerksindustrie stark an der Brennstoffzelle als Teil eines Speicherkomplexes interessiert. Noch größere Chancen sieht er in einer Lösung, wie sie auch schon bei den Apollo-Mondflügen der Nasa erfolgte: schön warm machen – und ein bisschen Strom dazu.


Prof. Werner Tillmetz vom ZSW Ulm ist Fan der neuen Technologie: „Ihr Wirkungsgrad ist deutlich höher“, Foto: ZSW

„Callux“ heißt das Feldprojekt, mit dem seit vier Jahren und an mittlerweile über 300 Orten versucht wird, „das Alltagsgeschäft zu lernen“, wie Tillmetz tiefstapelt. Eine ansehnliche Runde von Geräteherstellern und Energieversorgern hat sich zusammengetan, um in Kunden-Kellern auszuprobieren, was bundesweit gleichermaßen Marktanteile und Energieeffizienz-Effekte generieren soll. Der Clou an der Sache: Man braucht dafür keine aufwändige Wasserstoff-Logistik, sondern schlichtes Erdgas.
Mehr als eine Handvoll dieser Aggregate summen auch schon an Rhein und Ruhr. In Dortmund und Gladbeck etwa, in Neuss, in Burscheid und Wipperfürth. Und eben in Bottrop, wo die Emscher-Lippe-Energie (ELE) Friedrich Werner ein Exemplar in den Keller seiner Doppelhaushälfte stellte. Werners Voraussetzungen waren stimmig: Kellergröße, Deckenhöhe, Wärmebedarf – alles passte. „Und außerdem“, sagt der ehemalige Elektrotechniker, „war meine alte Gasheizung ja auch schon 22 Jahre alt.“

Die zweistufige Anlage löst über einen Reformator den Wasserstoff aus dem Erdgas (CH4) und leitet ihn der elektrochemischen Stromerzeugung zu. „Der Wirkungsgrad ist mit 40 bis 60 Prozent viel höher“, macht Prof. Tillmetz den Unterschied zum gasbefeuerten Blockheizkraftwerk mit Motor deutlich – jenes komme bloß auf 25 Prozent. Mit der genutzten Abwärme erreiche der Brennstoffzellen-Teil eine Energieausbeute von 90 Prozent. Freilich gilt das nur für den Grundlastbereich mit konstantem, aber auf flache Leistung ausgelegten Betrieb. Für die Wintersaison braucht es die zweite Brennerstufe zum reinen Heizen.

ELE hat Friedrich Werners Verbräuche mit den Jahren der alten Heizung verglichen. „Vier Prozent weniger Gas-Einsatz“ gibt die Ingenieurin Mareike van Laak an. Das ist noch nicht viel. Aber aus diesem „Kapital“ sind zusätzlich rund 7.000 Kilowattstunden Strom entstanden, von denen Werner mehr als ein Drittel selbst verbrauchte. „Meine Stromrechnung“, überschlägt er, „hat sich halbiert.“ Ob er nach dem Ende der zweijährigen Probierphase bei dieser Technik bleibt, wird von den Kosten abhängen. Die sind noch recht hoch: 20.000 Euro müssten aktuell berechnet werden, heißt es bei „Callux“, die Serienfertigung soll ab 2015 gemäßigtere Marktpreise bringen. Immerhin haben sieben bedeutende Hersteller (darunter Viessmann, Vaillant, Bosch und Baxi) auf der Hannover-Messe ihre Geräte zusammen präsentiert. Es ist ihnen ernst.

engels-Fazit: Wenn diese neue Technologie auf den Markt kommt, wird sie zur echten Konkurrenz für Mini- und Mikro-Blockheizkraftwerke. Wahrscheinlich ist, dass Stadtwerke und Regionalversorger ihren Kunden die Brennstoffzelle über Contractingmodelle anbieten – und so auch ihren Gas-Absatz sichern. Für kleinere Gemeinden, die nach Energie-Autarkie streben, können sie (auch mit Biogas betreibbar) ein sehr emissionsarmer Lösungsbaustein sein. „Das kommt viel schneller, als sich das mancher vor kurzem noch gedacht hat“, heißt es ahnungsvoll bei „Callux“.

TOM JOST

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