Wie früh sollten ambitionierte Eltern ihre Brut Fremdsprachen lernen lassen? Kann man sich ernsthaft in jemanden verlieben, der Brottrunk trinkt? Und warum wäre es hübsch, eine österreichische Filmdiva des vergangenen Jahrhunderts zu sein? Fragen wie diese beschäftigen die Kabarettistin Tina Teubner. Und es klingt immer so maßlos heiter und sorglos, wie die Wahl-Kölnerin diese Themen aufgreift und angeht. Selbst, wenn es bei dieser vordergründigen Harmlosigkeit bliebe, würde der Zuhörer ihr gerne folgen. Denn sie trifft den richtigen Ton, und gut erzählen kann sie auch. Dass die im Februar 1966 im Nirgendwo Hessens geborene Künstlerin aber zu den erfolgreichsten ihrer kabarettistischen Zunft gehört, hängt damit zusammen, dass sie nicht bloß eine öffentlichkeitswirksame Schnackerin ist, sondern etwas zu sagen hat.
Angefangen hat ihre Laufbahn als Bühnenfrau vor rund 20 Jahren. Da stand die studierte Musikerin in Duisburg auf einer Kneipenbühne, sang Chansons, „das war die Initialzündung“. Zunächst sang sie Schönes von anderen nach, „dann kam immer mehr Eigenes, und über die Jahre bin ich lustiger geworden“, kommentiert sie mit dem ihr eigenen Understatement. Damals wie heute zeichnete sie sich dadurch aus, komplexe Strukturen frei von Pathos Dinge auf den Punkt zu bringen. Offensichtlich lästert sie gerne. Am liebsten über das, was als Zeitgeist postuliert und von den meisten unüberdacht nachgeäfft wird.
Persönlich, aber nicht privat
„Es gab mal eine Zeit, da hab ich mich gequält, hab von morgens bis abends Kalorien gezählt. Hab eine Diät nach der anderen gemacht, nichts gegessen und dann noch drüber nachgedacht“, beginnt „Die hohe Kunst der Schadenfreude“. Ein typischer Teubner-Beitrag, typisch deshalb, weil Marketingfloskeln (sportlich, schlank, spartanisch) karikiert und eingerissen werden. Ihre Programme, elf eigene hat sie verfasst, die mit den einschlägigen Preisen bedacht wurden, nennt sie „persönlich, aber nicht privat“. Die Kalorienzählerei also ist ihr Ding nicht, da isst sie lieber Protest-Pommes und gönnt sich ein Glas vom guten Roten. Gegen Sport hat sie nichts, versteht aber nicht, „warum ich laufen soll, wenn ich auch sitzen kann“. Für ihr Publikum ist sie damit offensichtlich eine Identifikationsfigur, die anderen nachvollziehbar die Hoffnung vermittelt, angesichts der eigenen Skepsis und des eigenen Scheiterns nicht allein auf der Welt zu sein. „Unglücklich sein? Das kenne ich. Das muss mal sein, denn dieses pausenlose positive Denken ist doch Quatsch. Ich hab’s lieber ehrlich und unverstellt.“
Neugierig läuft die Mutter zweier kleiner Kinder durchs Leben und nimmt aufmerksam wahr, was andere beschäftigt. „Wenn ich etwas bemerkenswert finde, gehe ich dem nach. Ich versuche, Flächendeckendes zu finden, in dem sich andere wiederentdecken können.“ Das Streben nach ewiger Jugend und unverwüstlicher Schönheit sind Aspekte, die im typischen Teubner-Sound dargeboten werden. „Man kann nicht früh genug lernen, auch mental zu kompensieren. Schadenfreude beispielsweise hält unglaublich jung“, lautet einer ihrer ironisch überdrehten nüchternen Kommentare.
Glück ist, authentisch zu sein
Im Grunde genommen, so sagt sie, folgen ihre Programme immer einer einzigen Frage: „Wie schafft man es, unverbittert alt zu werden?“. Beziehungen, und wie sie funktionieren, ist dabei ein Thema, und wie gut man einander kennt. Jürgen Habermas zitiert sie in diesem Kontext. „Ich glaube nicht, dass ein Menschenleben ausreicht, um einen anderen kennenzulernen.“ Die Dringlichkeit ihrer Fragen ist eher philosophischer Natur, was ist eigentlich Glück, und wie kann man in dieses Glück hineingaloppieren? Vor allem: Wie bleibt es? „Warum ist Glück nicht zu halten? Ich kenne das selber, denn ich bin kein Typ, der pausenlos strahlend durchs Leben läuft.“
Die Facetten dieser grundsätzlichen Lebensfrage, weiß Tina Teubner, die sich übrigens als undisziplinierte Arbeiterin beschreibt und lieber maßlos mit Freunden schlemmt oder ein gutes Buch liest, als à la Thomas Mann ihren streng strukturierten Arbeitsplan abzuarbeiten, dieses eine große Thema wird stets neu und jenseits von Nichtigkeiten hinterfragt. „Wie Beziehungen funktionieren, kann ich nicht beantworten“, lautet folgerichtig ihr Kommentar. Neugierde zu bewahren, demütig und für den anderen interessant zu bleiben, könnten Eckpunkte eines funktionierenden Gefüges sein. Und bei sich zu sein. „Ich bin zu alt, um mein Leben mit Ausdauersport und schlechtem Rotwein zu verplempern“, sagt sie.
„Aus dem Tagebuch meines Mannes“ I Tina Teubner und Bühnenpartner Ben Süverkrüp:
13.2. Rotationstheater Remscheid
19.2. Kom(m)ödchen Düsseldorf
25./26.2. Fletch Bizzel Dortmund
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Es geht auch darum, wer der Stärkere ist“
Regisseur Peter Wallgram über „Monte Rosa“ am Theater am Engelsgarten – Premiere 11/24
Schäferwagen und Hexenhaus
„Hänsel und Gretel“ am Opernhaus Wuppertal – Auftritt 11/24
Ohne Firlefanz
Premiere von „Salome“ im Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 10/24
„Im Stück steckt ganz viel Politik drin“
Regisseurin Barbara Büchmann über „Der einzige Mann am Himmel bin ich“ in Wuppertal – Premiere 10/24
Das schöne Wesen aller Dinge
Festival Spielarten 2024 in NRW – Prolog 09/24
„Macht und Machtspiele“
Intendant Thomas Braus über die neue Spielzeit am Wuppertaler Schauspiel – Premiere 09/24
Zahlreiche Identitäten
6. Hundertpro Festival in Mülheim a.d. Ruhr – Prolog 08/24
„Eine andere Art, Theater zu denken“
Dramaturg Sven Schlötcke über „Geheimnis 1“ am Mülheimer Theater an der Ruhr – Premiere 08/24
Weltstars in Wuppertal
Größen der Rock- und Pop-Szene gastieren im LCB – Porträt 07/24
Unterhaltsame Kurzweil
„Die lustigen Weiber von Windsor“ am Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 07/24
„Schauspielerfahrung schult perspektivisches Denken“
Schauspieler Thomas Ritzinger hat mit „Die letzte Nachtschicht“ einen Roman geschrieben – Interview 07/24
Bewegte Geschichte
Soziokulturelles Zentrum Die Börse in Wuppertal – Porträt 06/24
„Wir sind eher im sozialkritischen Drama zuhause“
Regisseur Peter Wallgram über „Woyzeck“ am Wuppertaler Theater am Engelsgarten – Premiere 06/24
Jack the Ripper im Opernhaus
Ausblick auf die Spielzeit der Wuppertaler Bühnen – Bühne 05/24
Richtig durchgestartet
Der Wuppertaler Verein Insel – Porträt 05/24
Ethel Smyth und Arnold Schönberg verzahnt
„Erwartung / Der Wald“ im Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 05/24
„Eine Geschichte, die keinen Anfang und kein Ende hat“
Die Choreograph:innen Thusnelda Mercy und Pascal Merighi über „Phaedra“ in Wuppertal – Premiere 05/24
Auf die Melancholie die Liebe
Theatergruppe Bamboo inszeniert frei nach Georg Büchner – Bühne 04/24
Teuflischer Plan
Senecas „Phaedra“ am Theater am Engelsgarten – Prolog 04/24
„Es geht nicht mehr um den romantischen Naturort“
Manuel Schmitt inszeniert „Erwartung / Der Wald“ an der Oper Wuppertal – Premiere 04/24
Von der Liebe enttäuscht
Premiere von Georg Friedrich Händels Oper „Alcina“ in Wuppertal – Auftritt 04/24
„Das Klügste ist, dass man die Polizei gar nicht sieht“
Anne Mulleners inszeniert „Falsch“ am Wuppertaler Theater am Engelsgarten – Premiere 03/24
„Wir hoffen, dass die Geschichte neu wahrgenommen wird“
Regisseurin Julia Burbach inszeniert „Alcina“ an der Oper Wuppertal – Premiere 02/24
„Der Roman lässt mich empathisch werden mit einer Mörderin“
Regisseur Bastian Kraft über „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ – Premiere 01/24
„Wir haben uns absolut gegen den großen Stein entschieden“
Regisseurin Hannah Frauenrath über „norway.today“ am Theater am Engelsgarten – Premiere 12/23