„Ich hatte immer Interesse an Kunst und Design“, erinnert sich Nadine von Seelen. Inspiriert vom Beruf der Verwandten – Tante und Onkel sind Grafikdesigner – nahm die gebürtige Solingerin nach dem Abi an Info-Veranstaltungen der Designer an der Bergischen Uni teil. Dort begeisterte der Industriedesigner und Hochschulprofessor Martin Topel, der unter anderem bei Matteo Thun in Mailand aktiv war, sie noch weiter für die Materie: „Er kann sehr gut reden und hat Lust auf die Ausbildung gemacht. Also habe ich Bewerbungsmappen zusammengestellt und gemerkt, dass ich die meisten Zeichnungen nicht gebrauchen konnte.“ Produkte unter dem Gesichtspunkt von Form und Funktion zu untersuchen und zu entwerfen war damals noch Neuland für die Studentin in spe. 2006 aberimmatrikulierte Nadine von Seelen sich für den Studiengang Industriedesign. Dass das in Wuppertal passierte, war nicht der Nähe zum Elternhaus geschuldet, sondern eine bewusste Entscheidung, „weil hier ein junges Team lehrt. Das Studium war vom ersten Tag an das richtige für mich.“ Für ihre Abschlussarbeit, den Bachelor, ist sie jetzt nach München gegangen.
Für den Laien, und letztlich sind die meisten Nutzer und Konsumenten das, versöhnen Industriedesigner wie die 25jährige Solingerin die Technik mit dem Sinnlichen. Im besten Fall werden Produkte so zu käuflichen Kultobjekten, deren mal formschönes, oft anheimelndes und stilvoll-zweckmäßiges Design sie neben anderen Alltagsgegenständen auszeichnet und hervorstechen lässt. Zu von Seelens Kreationen aus ihrem Studium zählt beispielsweise .doc, ein Gerät zur sicheren Aufbewahrung persönlicher Informationen und Daten über die eigene Gesundheit. Oder: eine besondere Tasche für Klapprechner. Als es bei einer Aufgabe darum ging, eine Türklinke im Stil einer Kult-Persönlichkeit zu gestalten, wählte von Seelen dafür die mit dem britischen Verdienstorden „Order of the British Empire“ geadelte Star-Architektin Zaha Hadid und erschuf einen Türgriff in amorpher, organischer Form.
„Design ist ein 24-Stunden-Job“
Allein: Fertigungstechniken zu präzisieren, darin sah und sieht sie ihr Talent nicht. Aber das Künstlerisch-Visionäre ist ihr Ding, und weil sie vielseitig interessiert ist, entschied sie sich nach dem vierten Semester, ein Auslandssemester in Wien einzulegen. „Ich bekam noch am gleichen Tag Antwort auf meine Bewerbung. Das war einer der tollsten Momente“, versucht sie ihr Gefühl in Worte zu fassen. Sechs Monate verbrachte sie als Stipendiatin in Wien, studierte bei Hartmut Esslinger, der sich mit „High Touch Design“ einen Namen gemacht hat. Von 2006 bis 2011 hatte er eine Professur für Industrial Design an der Universität inne, jedes Jahr gab er seinen Studenten ein Thema vor, zu dem sie experimentierten. „Dorian“, auf der gleichnamigen Romanfigur von Oscar Wilde basierend, lautete das Projekt von Nadine von Seelen: „Ein moralisch-soziales Netzwerk mit offener Entwicklung und ohne Grenzen.“ Wirkliche Idole oder erklärte Vorbilder hat die junge Designerin nicht. „Du musst deinen Weg selber finden.“ Ganzheitliche Design-Ansätze gefallen ihr, nachhaltig beeindruckt ist sie von Lehrern wie Brigitte Wolf – oder eben Hartmut Esslinger. Als sie ihm das erste Mal begegnete, sah der Designer in seinem pinken Pulli, neongrünen Sneakern und zerrissener Jeans mehr als nur sonderbar aus. „Und dahinter pure Genialität.“ Solche Begegnungen haben sie gelehrt, vorsichtig im Urteil über Menschen zu sein. Was nach ihrem Bachelor-Abschluss kommt, an dem sie zurzeit in Kooperation mit dem Unternehmen frog arbeitet, hält sie sich zunächst offen. „Design ist ein 24-Stunden-Job und sehr erfüllend. Es ist ganz selten, dass ich nicht daran denke“, schwärmt sie von ihrem Beruf. „Jeden Tag passiert etwas Neues, du erlebst viele interessante Persönlichkeiten. Und es gibt eine Zukunft: Produkte wird es immer geben.“
Die Industrial Designer an der Bergischen Universität Wuppertal (uwid) präsentieren am 14. September ab 19 Uhr aktuelle Diplomarbeiten und die Ergebnisse aus den Studienprojekten. Die Ausstellung in Gebäude K/neues Hörsaalgebäude am Campus Grifflenberg ist auch Samstag und Sonntag von 12 bis 16 Uhr zu sehen.
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