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Foto: Irma Flesch

Uns helfen keine Götter

20. Dezember 2010

Magenbitter 01/11

Man könnte denken, der Elferrat hätte getagt und eine Posse beschlossen. Auf den elfgeschossigen Turm der ehemaligen Gelsenkirchener Zeche Nordstern kommt eine 18 Meter hohe Herkules-Statue. Elfen haben auf diesen Deal wohl keinen Einfluss gehabt, Grubenmännchen auch nicht. Obwohl die Magie der 18 dann doch feierlich enthüllt wurde. Mit diesem Alter wird man volljährig, durfte dann wählen und dafür zum Bund und endlich Auto fahren. Aber die 18 taucht auch woanders auf: §18 EkSt-Gesetz, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Für Meister Lüpertz, einen der ganz gewieften Dekorateure der Mächtigen, dürfte das sicher uninteressant sein.
Also schaut bis in die Ewigkeit nun Herkules (Herakles) auf uns herab, beziehungsweise wir schauen zu ihm auf. Dem Helden, dem Heroen. Göttersohn und tapferer Krieger, der alles erschlug, was nicht schnell genug rennen oder kriechen konnte. Sein Todfeind war Eurystheus, König von Mykene und von Heras Gnaden. Eurystheus hieß mein erster Hamster. Auch der legte mir nachts immer zwölf Prüfungen auf. Was will uns also diese mächtige Dachdekoration sagen? Dass uns hier im Revier eigentlich nur Prüfungen auferlegt werden, wir am Ende aber endlich auf einem Scheiterhaufen verbrennen und dann auf den Olymp in Dauer-All Inclusive dürfen?

Ist es nicht eher die gleiche Assoziation, die uns von den beleuchteten Konzern-Chefetagen in Essen oder Dortmund herunterblinkt: Ihr wimmelnden Würmer da unten könnt uns gar nichts? Oder sollen wir uns gegen die aufrichten beim Gedanken, irgendwie sind wir doch alle Göttersöhne und -töchter? Na ja, Töchter vielleicht nicht. Selbstverständlich ist es wieder ein toller Mann, der da den Göttern gleich, und nein, wie herrlich die Statue vom Ex-Rektor und selbsternannten Kultur-Zeus da im gebeutelten Gelsenkirchen fast ohne Kultur, aber jetzt mit Statue. Und multikulturell ist das 23 Tonnen-Guss-Schweiß-Teil ohne Ende. Schließlich ist das griechische Mythologie vom Feinsten, auch die Italiener mochten ihn, und wir jungen Deutschen damals: Ich sag nur: „Maciste Sohn des Herkules“, „Zorro gegen Maciste“, die mythologisch angehauchten C-Movies nahmen kein Ende. Erst bei Rocky Horror begriff man die wahre Bedeutung von Steve Reeves. Wie werden sich unsere Freunde und Mitbürger aus den nichtchristlichen Kulturkreisen sagen? Wäre nicht ein monumentaler Dschinn auch nett gewesen, oder vielleicht auch mal was ohne Keule (immerhin das älteste Tötungs-Werkzeug des Menschen).
Ach, es war vermessen zu glauben, noch einmal etwas auf dem ästhetischen Niveau wie Richard Serras Bramme auf der Schurenbachhalde zu bekommen oder was mit Reibung, wie ein überdimensionierter Tampon von Tracey Emin, der hätte wenigstens für Erneuerung gestanden. Jetzt haben wir wieder ein 1980er Jahre-Kunsthistoriendenkmal mehr im Revier, ein metallenes Allerwelts-Monument mit Schalke-blauen Haaren und einem Knüppel, aber mit vorzeigbarer Unterschrift auf Goldtafel. Uns helfen keine Götter mehr. Die 18 wird uns einholen: Gefallen, gefallen ist Babylon, die Große, und ist eine Behausung von Dämonen geworden und ein Gefängnis jedes unreinen Geistes und ein Gefängnis jedes unreinen und gehassten Vogels. (Die Offenbarung, Kapitel 18!)

Peter Ortmann

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