Jede für sich und doch miteinander. Das Arp Museum zeigt derzeit zwei Ausstellungen zum Verhältnis von Theater und Bildender Kunst: in der Kunstkammer Rau hinter dem ruhmreichen Bahnhof Rolandseck sowie hoch über ihm, im Neubau von Richard Meier. Das Thema ist aktuell. Allenthalben werden Künstler zur Bühnen- und Kostümgestaltung eingeladen, und Bühnenbildner wiederum entwerfen Installationen und Ausstellungen im Kunstkontext, und dann gibt es eben die zahlreichen Künstler, die mit dem Instrumentarium oder der Aura der Bühne arbeiten. Schließlich wird die Bühne mit ihrem Ereignischarakter zum Spiegelbild der Gesellschaft, nicht nur im Schauspiel, sondern auch in der Oper und im Ballett und sogar im Puppentheater – dies ist der Kontext der beiden Ausstellungen in Rolandseck, die unter dem Titel „Bühnenreif“ in die Zeit von 1600 bis 1900 und 1900 bis heute gegliedert sind. Ein konkreter Anlass ist der (letztjährige) 100. Geburtstag des Cabaret Voltaire in Zürich, einer aktionistischen Keimzelle der Dada-Bewegung, der auch zeitweilig Hans Arp, der „Hauskünstler“ von Rolandseck, angehörte. Hier nun erweitert sich der Rahmen, aber nicht ohne einzelne Verweise. Da ist etwa Daniel Spoerris Bühnenbild zu „Das Glasherz“ von Tristan Tzara (1972), also zu einem der Protagonisten von Dada. Nicht immer fällt ein Bühnenbild so erstaunlich aus. In der Ausstellung übertragen die Modelle von Vladimir Tatlin (1923) und Piet Mondrian (1926) die jeweilige Handschrift lediglich auf den dreidimensionalen, begehbaren Raum.
Der frühe Teil der Ausstellung umfasst hingegen mehr Werke, die Ereignisse der Bühnengeschichte dokumentieren, als eigene gestalterische Entwürfe zu liefern oder einzelner Momente in eine bildnerische Autonomie zu übertragen. Ausgangspunkt dieser Hälfte von „Bühnenreif“ sind die Meisterwerke der Kunstgeschichte aus der Sammlung Gustav Rau. Sie erweitern das Spektrum der Bühne – kuratorisch etwas verwegen – um andere Schauplätze: etwa um eine hallenartige Kirche bei Pieter Saenredam oder bei Gerard Dou in der Überschreitung von Innen nach Außen durch einen Balkon. Der Spannungsbogen reicht von den malerischen Rollenporträts berühmter Schauspieler bis zu den Stockpuppen des Kölner Hänneschen Volkstheaters. In beiden Teilen aber werden Kostüme gezeigt, die Charaktere verkörpern. Vorgestellt werden Kostümentwürfe von George Grosz und Markus Lüpertz oder die „Verpuppungen“ von Marvin Gaye Chetwynd. Dies führt zum Film mit deutlich theatralisch-nostalgischem Einschlag, etwa mit den Rollenspielen von Marcel Dzama und Ulla von Brandenburgs bezauberndem Schattentheater. Es sind immer wieder diese Momente der Verzückung, die das besondere der Ausstellungen ausmachen. Und man muss nicht alles durchschauen, um es faszinierend und anregend zu finden.
„Bühnenreif“ | 1. Akt bis 23.4. und 2. Akt bis 7.5. | Arp Museum Rolandseck bei Remagen | 02228 942 50
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Freie Form
„Jean Fautrier – Genie und Rebell“ im Emil Schumacher Museum Hagen – kunst & gut 08/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
„Der Begriff ,Heimat‘ ist vieldeutig“
Direktor Fritz Emslander über „Es gibt kein Wort …“ im Museum Morsbroich – Sammlung 05/24
Einfach mal anders
Das stARTfestival der Bayer AG in Leverkusen geht eigene Wege – Festival 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Unter unseren Füßen
Archäologie der Moderne im Ruhr Museum – kunst & gut 02/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23
Kunst und Umgebung
„Produktive Räume“ in Haus Lange Haus Esters in Krefeld – Kunst in NRW 08/23
Leben ins Museum
Neue Sammlungspräsentation des MO im Dortmunder U – kunst & gut 06/23
Draußen, immer
Ein Skulpturenprojekt in Monheim – Kunst in NRW 02/23
Forschungsstation Zivilisation
Andrea Zittel im Haus Esters Krefeld – Kunst in NRW 12/22
Richter daheim
Gerhard Richter im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 11/24
Menschen allein
Lars Eidingers Ausstellung „O Mensch“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/24
Noch gemalt
„Zwischen Pixel und Pigment“ in Herford und Bielefeld – Kunst in NRW 09/24
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Am Anfang der Abstraktion
Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23