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Warmes Wasser per Sattelschlepper

01. Dezember 2010

Mit intelligenten Projekten wie „LaTherm“ wurde Bottrop zur „Innovation City“ - Innovation 12/10

Innovation City Ruhrgebiet - nun ist es also Bottrop geworden. Der Sieger im CO2-Halbierungs-Contest konnte sich mit einigen Plus- punkten von Mitbewerbern wie Bochum und Essen absetzen. Dazu zählten eine beispielhafte Bürger-Mobilisierung und bereits gestartete Klima-Projekte, die woanders noch nicht einmal unter „Wir planen“ auf der Liste standen. So wie „Wärme auf Rädern“.

Vermutlich wird sich selbst „Komödiant“ Jochen Schroeder kaum noch an den Schamoni-Film „Das Traumhaus“ erinnern, in dem er 1979 den WG-Bewohner Julius gab. Mit drei weiteren Alternativlingen hatte man eine marode Villa im Grunewald okkupiert, deren Abriss drohte, als man sich gerade im Ökotop eingerichtet hatte. Der Plan, das Spekulationsobjekt der Baulöwin zu entreißen, gelang mit Hilfe von Horst Frank: Der rackerte als Ingenieur so lange, bis das Anwesen wieder ansehnlich war, schraubte Sonnenkollektoren aufs Dach ... und holte sich die nötige Heizenergie aus der Ab- wärme eines nahegelegenen Industriebetriebes.

Gute 30 Jahre später ist industrieller Energie-Ab- fall, der sonst den Himmel über der Ruhr heizt, plötzlich wieder ein Thema. Seit Herbst 2009 bezieht ein Dortmunder Hallenbad Wärme, die ein paar Kilometer weiter bei der Verbrennung von Deponiegas entsteht. Innovation-City-Sieger Bottrop hat angefangen, Hitze aus der Kokerei Prosper in die Grundschule Ebel umzuleiten. Der Clou: Für den Transport muss kein Rohrleitungsnetz verlegt werden - die Energie kommt per Sattelschlepper.

Über das Prinzip, Wärme zu speichern, hat sich schon im alten Jahrhundert das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt mit Blick auf Satellitenversorgung Gedanken gemacht. Auch im Automobilbau tauchten Latentwärmespeicher da und dort auf, um Kaltstartphasen zu verkürzen, weiß Kai Petersen. Die Dortmunder „LaTherm“ GmbH, der Petersen als einer der Geschäftsführer vorsteht, nutzte schließlich das Patent eines Schwarzwälder Tüftlers. Und schickt sich an, einen gar nicht so speziellen Markt im wörtlichen Sinne „aufzurollen“.

Kein Wunder - bei diesen Dimensionen: „Die Ab- wärme eines großen metallverarbeitenden Betriebes reicht für hundert Schulen, Krankenhäuser oder Schwimmbäder“, haben die Experten von LaTherm ausgerechnet. In der Rheinschiene gebe es vier Chemiewerke, „jedes von denen könnte komplett Köln plus Düsseldorf versorgen“. Den Marktwert der weggeworfenen Abwärme schätzt Petersen „auf etwa 25 Milliarden Euro. Jährlich. Das ist die Hälfte aller Heizkostenrechnungen in Deutschland“. Rund 60 Prozent davon sollen tat- sächlich nutzbar sein. Zunächst ein Promill dieses Schatzes will das Dortmunder Start-Up binnen fünf Jahren heben. Das wären für den Anfang 15 Millionen Euro Umsatz.

Ein Beispiel, wie „Wärme auf Rädern“ funktioniert, hat man bei „LaTherm“ griffbereit in der Tasche: kleine, mit Salzlösung gefüllte Handwärmer für Wintertage, mit einem Knickplättchen aktivierbar. Und in heißem Wasser wieder aufzuladen. „Das, was mit Wasser und Eis bei null Grad passiert, spielt sich in unseren Wärme-Containern bei 58 Grad ab.“ Dann nämlich, erklärt Petersen, verflüssige sich die Trägerlösung - oder erstarre umgekehrt bei Wärmeabgabe „zu einer Art Sorbet“. Auch hier: „ein physikalischer Prozess, kein chemischer.“

In Bottrop passiert nun folgendes: Eine Zugmaschine holt den an der Kokerei mit 100 Grad Speicherhitze vollgeladenen Auflieger, fährt ihn nach Ebel und koppelt den Container an den Schul- Rohranschluss. Zwischen 28 und 36 Stunden wird es dauern, bis er die Wärme vollständig in den Heizungskreislauf abgegeben hat. Im Gegenzug wird der „leergesaugte“ Behälter mit 22 Tonnen Natriumacetat zur Kokerei gebracht, wo man ihn wieder auf Temperatur bringt. Weil dieser Vorgang keine Verschleißfaktoren enthält, rechnet LaTherm damit, dass die Container gut 15 Jahre genutzt werden können.

Bottrops Klima-besorgter Oberbürgermeister Bernd Tischler rechnet wiederum anders. Wenn es gelänge, Bottrops bisher ungenutzte Abwärme von etwa 2 MW nutzbar zu machen, „können wir damit jährlich 4.000 bis 5.000 Tonnen CO2 einsparen.“ Nicht nur dort, auch seine Stadtkasse profitiert davon. Vor zehn Jahren seien die Wärmepreise so niedrig gewesen, dass sich ein solches Nutzungskonzept auch nicht lohnte, gibt man bei LaTherm offen zu. Das hat sich verändert. Die Dortmunder Energie-Spediteure schließen langfristige Versorgungsverträge ab und können sich leisten, den Wärmepreis nur um die Inflationsrate steigen zu lassen. Ungefähr 15 Prozent Jahresersparnis sollen drin sein. Auch der Erzeuger erhält einen Obolus, mit dem die eigenen Investitionen innerhalb von drei Jahren refinanziert seien.

Wirtschaftlich könne das „Wärme-auf-Rädern“- Konzept bis 20 Kilometer Entfernung betrieben werden, hat die Uni Bayreuth ausgerechnet. Will heißen: Es funktioniert nicht nur in klassischen Ballungsräumen – rund 4.500 anzapfbare Biogasanlagen stehen breit übers Land verstreut. Gegenwärtig soll sich schon eine dreistellige Zahl von Interessenten bei den Dortmundern gemeldet haben. Potenzielle Kunden seien Kommunen, die Eigner von Büro- oder Logistik-Immobilien ... oder auch die Bundeswehr, grinst Petersen. Im privaten Eigenheim, das mit einer Containerladung Wärme ein Vierteljahr Heizung und Duschwasser abdeckte, ist der Einsatz eher unwahrscheinlich: Auch im schönsten Blau erwiese sich der „LaTherm“-Container vor der Haustür doch als zu großes Trumm.

www.latherm.de

TOM JOST

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