Über ein halbes Jahr hinweg hat Refugee Voice TV, ein seit zwei Jahren existierendes lokales TV-Projekt von Geflüchteten für Geflüchtete, Wuppertaler verschiedenster Herkunft gefragt, was für sie Heimat bedeutet. Jung und alt, schon länger hier lebend, neu zugewandert – das Ergebnis: Eine Fotoausstellung mit 54 „Gesichtern“, heißt Schwarz-Weiß-Portraits und fast ebenso vielen Antworten auf die Frage „Was ist Heimat?“. Kinder wurden ohne Aussage dargestellt, um nicht eventuell von Eltern stammende Antworten ihnen zuzuschreiben.
Wuppertal wird oft für Integrationsprojekte gelobt, da wundert es nicht, dass sich das städtische Ressort für Zuwanderung und Integration Gedanken gemacht hat, wie man seinen Sitz, in dem sich unter anderem die Ausländerbehörde und das Jobcenter befinden, etwas heimeliger gestalten kann. Sonja Noderer, zuständig für den Bereich Ehrenamt und Projekte, hat die Ausstellungsidee gemeinsam mit Refugee Voice TV entwickelt. Sie lebte zwei Jahre in Syrien und sechs im Libanon, bevor sie 2016 nach Wuppertal zog.
Der Schwarz-Weiß-Look der Fotos unterstreicht den Zusammenhalt der vielfältigen Porträts, die weder Nachnamen noch Herkunft verraten. Stattdessen wird der Blick mehr auf die jeweiligen Antworten gelenkt – und die weisen bei aller Vielfalt deutliche Ähnlichkeiten auf. Wiederholt genannt werden Familie, Freunde und guter nachbarschaftlicher Kontakt, außerdem Träume, Freiheit und die Möglichkeit Lebensziele selbstbestimmt verwirklichen zu können. All das brauche es, um sich wohl zu fühlen und ein Heimatgefühl zu entwickeln.
Zur Sprache kommen auch eine vertraute Umgebung, Sprache, Kultur und Religion. Freiheit, Menschenwürde und Sicherheit, oft schlicht hintereinander aufgezählt, weisen auf einen Fluchthintergrund hin. Ein Großteil der Porträtierten stammt aus Syrien. Poetisch-emotional offenbart sich Heimweh älterer Erwachsener nach dem Land, in dem sie geboren und aufgewachsen sind: Heimat als „Schoß der Mutter“ oder „Milch, die wir aus dem Busen der Erde trinken“.
Die Portraitierten, die aus rund 15 Nationen stammen, waren zugegen, drei von ihnen hielten vor dem Gang durch die Ausstellung eine kurze Rede; besonders bewegend war dabei die von Akram (22), der seine syrische Heimat vor sieben Jahren verlassen musste. Er fühle sich in Wuppertal, wo er seit vier Jahren lebt, gut aufgenommen und empfinde inzwischen heimatliche Geborgenheit. Er habe gelernt, Heimat könne man überall finden, wo man frei leben und Menschen finden kann, die gut zu einem sind: „Ich bin meine eigene Heimat“.
Nach der Ansprache und der Danksagung an Förderer wie NRW weltoffen und die Flüchtlingshilfe Cronenberg folgte das Rahmenprogramm: Joseph und Zafer, zwei Musiker der Band Das bin Ich, sorgten mit Gitarre und Gesang für besinnliche Momente, bevor die rund 80 Gäste am Buffet arabisches Finger Food der Flüchtlingsinitiative Wuppertaler Weiße Herzen genießen durften. Die Besucher zeigten sich insgesamt beeindruckt von der Vielfalt der Aussagen und kamen dabei untereinander über die Bedeutung von Heimat ins Gespräch. Damit wurde das Ziel der Ausstellung erreicht: eine Behörde zum Haus der Begegnung zu machen.
Die Ausstellung ist bis zum Frühjahr im Haus der Integration zu sehen. Sie soll innerhalb Wuppertals weiterwandern, hierfür sind die Veranstalter im Gespräch mit der Sparkasse und den City Arkaden.
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