Kraft- und klangvoll für den Frieden: Das hat Tradition. Zum Antikriegstag am 1. September organisiert sonst der Deutsche Gewerkschaftsbund Programme, doch dieses Jahr gibt er corona-bedingt noch keine Veranstaltungen wie diese. In die Bresche sprang nun die Armin-T.-Wegner-Gesellschaft, die zusammen mit dem Schriftstellerverband VS ins Café Ada lud.
Kaum selbstverständlich, solch ein „ersatzweises“, vielmehr sehr glückliches Einspringen: Nicht nur dass ihr Vorsitzender Ulrich Klan heute selbst auch Moderation und Musik bot. Mit dem Elberfelder Wegner hat diese Gesellschaft sich zudem einem entschiedenen Pazifisten verschrieben; 1919 hatte dieser den „Bund der Kriegsdienstgegner“ mitgegründet.
Oberbürgermeister Andreas Mucke hob seine Wertschätzung fürs Thema hervor: „Ich finde es wirklich wichtig.“ Und speziell aus seiner heutigen Position: „Wir Kommunen müssen zeigen, dass wir die Basis dieses Staats sind. Und wir wollen Frieden haben.“
Auch Guido Grüning, Wuppertaler DGB-Chef, war vor Ort und machte Kriegskritik am Tagesgeschehen konkret: Im Konflikt nach der Wahl in Weißrussland kämen deutsche Waffen zum Einsatz. Grundsätzlich konstatierte er: „Wir führen keinen Krieg mehr in Europa - wir exportieren ihn.“
„Flucht bedeutet Tod und Wiedergeburt“
Die Literatin Christiane Gibiec führte ein in den Text-Part, der sich im Wechsel mit Klan und seinem Quartett durchs Programm zog. Der syrische Autor Alaa Alraschi erinnerte ernst: „In diesem Moment sterben Menschen“. Schon zum Vater von Präsident Assad stand die kurdische Familie in Opposition, im aktuellen Krieg floh Alraschi aus Damaskus nach Deutschland. Den existenziellen Eindruck davon brachte der Satz auf den Punkt: „Flucht bedeutet Tod und Wiedergeburt.“
Safeta Obhodjas, nach ihrer Emigration im Jugoslawienkrieg seit Jahren Schriftstellerin im Tal, beschrieb, wie die letzten Bilder beim Verlassen der Heimat sie lange verfolgten. Halim Youssefs Beitrag schien am stärksten literarisch geformt: Ein ungeduldiger Jüngling begegnet im Kriegsgebiet einem Alten und nach seiner Flucht dann erneut. Der zerstreut seine Hoffnung auf „den Freiheitszug“; am Ende bleibt nur Asche.
Emotionsreich und kraftvoll dazu die Musik, neben Klan mit Robert Dißelmeyer (Klavier), Lukan Lehmann (Bass) und Jörg Dausend (Schlagzeug). Die Titel waren zum Thema beherzt gewählt. Schön etwa „Die Ballade vom Weib und dem Soldaten“ von Brecht/Eissler. Mit Sinn für Dramatik – Gesang halb skandierend, Klavier folgte donnernd. Gelungen auch die Dylan-Interpretation, nein: nicht mit „Blowin‘ in the Wind“, sondern „Masters of War“.
„Desertieren kann Kriege behindern“
Nebenbei dürfte dies einer der ersten Fälle sein, in denen das Konzept des noch jungen Ada e.V. zum Zuge kommt, der den Raum stellt. Es scheint nicht ausgemacht, dass DGB und Ada vor Jahren natürliche Partner gewesen wären. Ist es doch einer jener Kulturorte, zu denen das Wort „kultiviert“ sehr passt. Wer das Ada bislang als eine Spur zu fein wahrgenommen hätte, entdeckte es heute womöglich mit anderem Akzent: Klan, auch bekannt von der Linksband „Fortschrott“, die schon in Autonomen Zentren spielte, zeigt generell Würde, dabei aber mit einer persönlichen Inbrunst, die keinesfalls ätherisch ist.
Zurück zum Thema Krieg: Bis heute gibt es ja „Verrats“-Vorwürfe plus Rechtsverfolgung, wenn Soldaten sich dem verordneten Töten entziehen – „Fahnenflucht“ und „unerlaubte Entfernung von der Truppe“ sind auch in Deutschland strafbar. Der Schriftsteller Boris Vian aber widmete dem „déserteur“ ein Chanson, und Dißelmeyer und Co. brachten es nicht nur zu Gehör, sondern Klan betonte vorab: „Desertieren ist eine Möglichkeit, Kriege zu behindern.“ Und OB Mucke hatte sich schon eingangs mit Positionen durchaus quer gestellt zu einer Rüstungspraxis, an der auch seine Partei auf Bundesebene Anteil hat: „Mit deutschen Waffen werden Kriege geführt“, stieß er ins gleiche Horn wie nachher DGB-Mann Grüning; Flugzeugträger benannte er als Gefahren (Anmerkung: Von einem deutsch-französischen hat die heutige Verteidigungsministerin schon früher geträumt). Heute also die Erinnerung, nicht nur durch Mucke: Friedensarbeit kann auch kontrovers sein.
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