Es ist Punkt 20 Uhr. Aus den Lautsprechern kommt der Beatles-Hit „In My Life“. Die Saalbeleuchtung im seit Monaten restlos ausverkauften Großen Saal der Historischen Stadthalle Wuppertal geht aus. Dann kommen sie, die Dame und die acht Herren. Frenetisch werden sie begrüßt, allen voran Wolfgang Niedecken. Und schon geht es mit „Koot vüür Aach“ und „Südstadt verzäll nix“ richtig zur Sache. Die Fans brauchen keine Zeit zum Warmwerden. Jeden reißt es von den Sitzen, kein Bein steht still, Hände werden winkend hoch gehalten. Sie sind, auch wenn so manche von ihnen in die Jahre gekommen sind, genauso topfit wie die Band, die drei Stunden nonstop ein Feuerwerk nach dem anderen an bodenständigem Kölschrock entfacht. Das Auditorium gleicht bisweilen einem Tollhaus, derart ausgelassen ist die Stimmung.
Sound von damals
Alte Zeiten werden wieder wach, als BAP vor über vierzig Jahren der Sprung zur großen Karriere gelang und seitdem in aller Munde ist, nicht nur bei den heute ergrauten Anhängern der ersten Stunde, sondern auch bei den nachfolgenden Generationen. Bandleader Wolfgang Niedecken hatte sich entschlossen, ausschließlich mit Songs aus dieser Zeit auf Tournee zu gehen. Gesagt, getan. Exakt dreißig Stücke im Sound von damals inklusive kleiner Neuerungen in den Arrangements werden zum Besten gegeben. Sämtliche Titel aus den beiden Alben „Für usszeschnigge!“ (1981) und „Vun drinne noh drusse“ (1982) und eine Auswahl aus den beiden Vorgängern „Wolfgang Niedecken's BAP rockt andere kölsche Leeder“ (1979) und „Affjetaut“ (1980) kommen vor. Hits und live selten beziehungsweise gar nicht mehr live gespielte Nummern sind es. Passend wurden die zweimonatige Konzertreise durch Deutschland und in Zürich wie die vorher entstandene CD auf den Namen „Zeitreise“ getauft.
Ein Kasten Bier
Man schwelgt also in Erinnerungen, als „Waschsalon“, „Müsli Män“, „Kristallnaach“, „Verdamp lang her“, „Jraaduss“, „Jupp“ und, und, und von der Bühne kommen. Absolut textsicher wird an vielen Stellen mitgesungen. Nur bei ruhigen Titeln werden die Stühle beansprucht. Ansonsten wird im Stehen eine große Party gefeiert. Zwischendurch spart Niedecken nicht mit Anekdoten über die Entstehungsgeschichte mancher Lieder, sinniert darüber als bei Proben ein Kasten Bier draufging – und reflektiert, wie die Zeit vergangen ist, da er heute vierfacher Vater und dreifacher Großvater ist.
Man merkt ihm sein Alter von 73 Jahren nicht an. Ohne Unterlass plaudert er, beansprucht das Mikrophon und rockt auf der Gitarre. Bestens disponiert zeigen sich auch die anderen Bandmitglieder. Gitarrist Ulrich Rode, Bassist Werner Kopal, Drummer Sönke Reich, Keyboarder Michael Nass, Multiinstrumentalistin Anne de Wolff und die drei Bläser Axel Müller (Saxophon und andere), Benny Brown (Trompete) sowie Johannes Göltz (Posaune) harmonieren perfekt und brillieren mit packenden Soli.
Keine Zugabe
Die Zeit vergeht wie im Flug, ruckzuck sind die drei Stunden rum. Zugaben hätte es en masse geben können. Doch Niedecken verkündet gleich zu Beginn des Abends, dass es sie nicht geben wird. So fügt sich das Publikum bald. Die Saalbeleuchtung wieder an, als der Oldie „Ballad of Easy Rider“ von Roger McGuinn aus dem Off kommt. Glücklich zieht man von dannen.
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