Der Begriff „experimentelle Musik“ beinhaltet eine große Vielfalt. Auf dem Gebiet der E-Musik gilt vielerorts der US-amerikanische Komponist John Cage als Vorreiter. Der Jazz vereinnahmt ihn für sich. Doch da sind außerdem beispielsweise die Musique concrète (konkrete Musik), die Fluxus-Bewegung, der Minimalismus, genreübergreifend die frei improvisierte Musik oder mittels Computer kreierte Ton-, Sound- und Geräuschschöpfungen. Generell geht es darum, was experimentelle Musik bezwecken möchte: das Brechen konventioneller Definitionen. Künstler forschen nach neuen Wegen. Jedes Konzert ist ohne Hinzunahme aufgeschriebener Noten einzigartig, da ad hoc etliche Unbestimmtheiten, Unvorhersehbarkeiten, Spontaneitäten stattfinden.
Jenseits der Schulen
Eine der Formationen, die sich jenseits bekannter Hörgewohnheiten einer neuen Tonsprache verschrieben hat, ist das Schweizer Quartett The Great Harry Hillman. Sie hat sich nach dem US-amerikanischen Läufer Harry Hillman (1881-1945) benannt, der 1904 drei Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen in St. Louis gewann. Seit dem Gründungsjahr 2006 spielt das Quartett in unveränderter Besetzung. Die Musiker, die sich während ihres Jazzstudiums an der Hochschule in Luzern kennenlernten, interagieren dementsprechend kongenial. Diesen Eindruck erwecken sie jedenfalls im soziokulturellen Zentrum Loch vor einem leider sehr überschaubaren, dafür sehr aufgeschlossenen Publikum, das gebannt den Vorträgen lauscht.
Aufhorchen lässt ihr blindes musikalisches Verständnis füreinander. Spontan wird auf neue Einfälle in Form von Motiven, Pattern, rhythmischen Strukturen oder Erzeugung von Geräuschen reagiert. Sie werden weiterentwickelt, variiert oder kontrastiert. Mit Bedacht werden ständig, inklusive einer kurzen Zugabe, rund 90 Minuten neue Strukturen und Klänge ausgetüftelt und ausgelotet. Dabei blitzt zwar ihre jazzige Herkunft auf. Doch weit jenseits irgendwelcher Schulen gemahnen deren Klangentwicklungen auch an avantgardistische E-Musik, Hard Rock, kontemplative Ruhe oder groteske Power. Eins haben die nahtlos ineinander übergehenden, in ihren Bann ziehenden Passagen gemeinsam: Sie beginnen wie aus dem Nichts kommend wie in sich gekehrt ganz leise und entwickeln sich allmählich hin zu klanggewaltigen Ausbrüchen, die in sich zusammenfallen.
Groove
Dabei überrascht Nils Fischer immer wieder mit sonoren wie überblasenen Bassklarinettentönen sowie Sounds und Geräuschen, die nichts mit den vertrauten Klangeigenschaften dieses Holzblasinstruments zu tun haben. Oft kommt die stark verzerrte E-Gitarre von David Koch daher, die, wie die Klarinette an viele Effektgeräte angeschlossen, ebenfalls packende, artfremde Töne von sich gibt. Samuel Huwyler am E-Bass sorgt für sich ständig wiederkehrende groovige Riffs und für etliche unerwartete musikalische Gegenpole. Dominik Mahnig geht über weite Strecken rhythmisch frei, sensibel und wie eruptiv mit Schlagzeug um und kreiert eine große Palette an schrillen und sachten Klängen.
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