Harald Klingelhöller gehört zu den wichtigen zeitgenössischen, noch in der Tradition der Skulptur stehenden Bildhauern. Er erfindet Formen und Formkonstellationen für die Kunst neu. Seit drei Jahrzehnten realisiert er lebensgroße Objekte und raumgreifende Installationen, die mit ungewöhnlichen, teils konträren Materialien an funktionale Raumkörper unserer urbanen Umgebung erinnern, dabei unser Bewegungsverhalten bedenken und eine philosophische Ebene bereithalten.
Im Ausstellungspavillon des Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal sind jetzt zehn seiner Werke aus den Jahren 1999 bis 2013 ausgestellt, welche die wesentlichen Aspekte und Überlegungen in seinem Schaffen ansprechen. Eine Überraschung sind die neueren sog. „Schattenversionen“ von 2012/13, die man im Original, als Raumgefüge sehen muss, um sie begreifen. Auf dem Boden stehen Schachteln aus Stahlblechen, den „Deckel“ aus zwei Schichten in komplementärer Farbigkeit aufgeklappt. In seinem Innenraum sind geschichtete ausgeschnittene Flächen ausgelegt. Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, wie verwandt diese „Schattenversionen“ etwa den eineinhalb Jahrzehnte zuvor entstandenen Werken sind, welche an Seilen hängen und mit ihren Metallstreben den Charakter von Marionetten tragen.
Harald Klingelhöller wurde 1954 in Mettmann geboren. Er hat an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Klaus Rinke studiert und wurde sehr schnell bekannt, gemeinsam mit Studienkollegen wie Reinhard Mucha, Thomas Schütte und Ludger Gerdes im Kontext einer neuen, architekturbezogenen Skulptur, die zwischen Pragmatik und Utopie anmutete und auch im Maßstab 1:1 den Charakter des Modells behielt. Bei Klingelhöller spielt schon da Text eine konstitutive Rolle, als mangelnde Übereinstimmung von Sprache und Bild. Klingelhöller hat Worte als Druckbuchstaben aus Karton oder festem Papier geschnitten und übereinander geschichtet. Mit diesem Modus hat er in seinem ganzen Werk verschiedene Formen der Präsentation erkundet; die Arbeiten lehnen und kippen oder wölben sich wie eine Kanzel. Sie ragen steil empor und sind in ihren Elementen ineinander verhakt, sie hängen von der Decke oder liegen nun, in den neuesten Werken, auf dem Boden.
Und wenn wir nun in der Wuppertaler Ausstellung sehen, wie Klingelhöller mittlerweile auch aufgeraute gegen glatte Gipsflächen setzt und wie sich die Fächer der „Schrankversion“ in den Raum öffnen und zugleich in die Fläche zurückziehen und in ihrer Dynamik durch die Glasscheibe mit der Skulptur „Dancing Column“ (2008) von Tony Cragg korrespondieren, dann merken wir, wie viel auch an formalen Details in den Werken von Harald Klingelhöller passiert … Tony Cragg, der Hausherr und Kurator, hat unlängst seinen Skulpturenpark erweitert und um einen weiteren Ausstellungspavillon ergänzt. Die Ausstellung, die er jetzt mit Harald Klingelhöller durchführt, begleitet diese Expansionen auf höchstem Niveau.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Entscheidend ist, überzeugend in seiner Arbeit zu sein“
Die Wuppertaler Bildhauerin Beate Schroedl-Baurmeister ist auf der 60. Kunstbiennale in Venedig vertreten – Interview 11/24
Der Kombinator
Eduardo Paolozzi im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 10/24
Ferne Welten
Das Transorient Orchestra im Skulpturenpark Waldfrieden – Musik 08/24
Bodenständig dynamisch
Anthony Caro im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 04/24
In ganz neuem Licht
Mischa Kuball im Skulpturenpark Waldfrieden – Kunst 10/23
Exo-Dimensionen der Sichtweise
Andreas Schmitten im Skulpturenpark Waldfrieden
– kunst & gut 12/22
Rituelles Blutrot auf formlosen Formen
Anish Kapoor im Skulpturenpark Waldfrieden
– kunst & gut 10/22
Artifizielles Müllrecycling mitten im Wald
„Unklumpen“ im Skulpturenpark Waldfrieden
– kunst & gut 07/22
Zufall und Zahnlücken
„Roll over Beethoven“ im Skulpturenpark – Musik 04/20
Wesen aus Heavy Metal
Joan Miró in Wuppertal – Kunst 10/19
Abenteuer der abstrakten Kunst
Imi Knoebel im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 09/17
Heiter und glücklich in den Frühling
Das könnten fröhliche Entdeckungen in den kommenden Tagen sein – Prolog 03/17
Richter daheim
Gerhard Richter im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 11/24
Menschen allein
Lars Eidingers Ausstellung „O Mensch“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/24
Noch gemalt
„Zwischen Pixel und Pigment“ in Herford und Bielefeld – Kunst in NRW 09/24
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Am Anfang der Abstraktion
Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23