Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
16 17 18 19 20 21 22
23 24 25 26 27 28 29

12.581 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Artifizielles Müllrecycling mitten im Wald

04. Juli 2022

„Unklumpen“ im Skulpturenpark Waldfrieden
 – kunst & gut 07/22

Wie immer kommt im Wuppertaler Skulpturengarten Waldfrieden der Aufstieg vor der Kunst. Wichtig ist zu wissen: Ist der Besucher schwitzend an Jonathan Monks „Covered Motorbike“ angekommen, dann sind die Bildhauer-Wechselausstellungen nicht mehr weit. Ich bin auf dem Weg zur Halle des ehemaligen Tony Cragg-Schülers Wilhelm Mundt, der durch seine unzähligen „Trashstone“-Objekte bekannt ist und schließlich sogar zum Professor für Bildhauerei an der Kunstakademie in Dresden berufen wurde. Der Düsseldorfer kennt sich mit artifiziellem Müllrecycling bestens aus und dafür muss der Sammler heute tief in seine Tasche greifen. Anders als beim alten Müllentsorger H.A. Schult („Trash People“) haben die in Mundts Werken verarbeiteten Reste oft einen persönlichen Kontext. Klumpen nennt er die, inzwischen hunderte, durchnummerierten Arbeiten gerne, „Unklumpen“ heißt die megainteressante Ausstellung in Tony Craggs Skulpturenpark.

Auf den ersten Blick liegt vor der gläsernen Halle nur ein riesiger dunkler Kiesel, der von hellen Linien durchzogen ist. Dann geht es hinein in den Pavillon. Rechterhand eine Stellage mit neun gereihten Klumpen, unter einer sandfarbenen, glänzenden Oberfläche zeigen sich gezeichnete Strukturen, hier und da sind Objekte, Muster, eine Injektionsspritze sogar zu sehen. Schnell drängt sich eine Frage auf: Wer weiß schon, was unter den schützenden Hüllen steckt?In der Universitätsklinik Freiburg hat der renommierte Bildhauer vor Jahren zwei Trashstones mit Abfallmaterial aus dem strahlentherapeutischen Bereich gefüllt und mit glänzendem GfK und Aluminium verhüllt. Doch einen Geigerzähler brauchen die Bewohner in Wuppertal hoffentlich nicht, dafür eine längere Auseinandersetzung mit der Formenfindung und Oberflächenbearbeitung des Künstlers. So zufällig, wie es scheint, sind die voluminösen Klumpen nicht entstanden. Alles begann mit den Dingen, die Wilhelm Mundt (*1959) in seinem Atelier fand und zu einer neuen bestimmenden Form montierte, danach sich mit industriellen Oberflächen beschäftigte und mit diesen die ersten Trashstones überzog. Hier hängen zwei neue Arbeiten, die wie durchscheinende Kokons den „Abfall“ sichtbar in sich bergen. Ich erkenne Kleidung und Schaumgummireste und einen gequetschten Tablet-Karton aus Pappe.

Von ganz weit weg scheint dabei jemand wütend zu schreien. Der Künstler hat sich mit seinem Tun auseinandergesetzt und sich dabei die Frage gestellt, ob die verhüllten Objekte ein immerwährendes Handeln und Kreieren in seinem Leben fordern und erfordern. So hat er dann eine Kamera mit Blick auf sich selbst in seinen PKW gebaut und während der Fahrt durch die Landschaft wütend assoziiert, was da vorbeisaust. „Fichten, Tannen, Lärchen, Kaninchen, Fleisch“ schreit er ins Mikrophon, für mich gut, dass die Aufsicht im Skulpturengarten den Satz inzwischen verinnerlicht hat. Das Fleisch sei eine spontane Reflexion auf seine Jugend und die Metzgerei seines Opas, erklärt er im Interview im kleinen, aber vorzüglichen Ausstellungskatalog. Die hängenden Klumpen sehen jetzt also eher wie abgehangene Schlachtung aus. Die Klumpen sind jede Reise wert.

Unklumpen | bis 31.7. | Skulpturenpark Waldfrieden, Wuppertal | 0202 47 89 81 20

Peter Ortmann

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

Skulptur draußen
Auch für diese Jahreszeit: der Skulpturenpark Köln

„Entscheidend ist, überzeugend in seiner Arbeit zu sein“
Die Wuppertaler Bildhauerin Beate Schroedl-Baurmeister ist auf der 60. Kunstbiennale in Venedig vertreten – Interview 11/24

Der Kombinator
Eduardo Paolozzi im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 10/24

Ferne Welten
Das Transorient Orchestra im Skulpturenpark Waldfrieden – Musik 08/24

Bodenständig dynamisch
Anthony Caro im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 04/24

In ganz neuem Licht
Mischa Kuball im Skulpturenpark Waldfrieden – Kunst 10/23

Exo-Dimensionen der Sichtweise
Andreas Schmitten im Skulpturenpark Waldfrieden
 – kunst & gut 12/22

Rituelles Blutrot auf formlosen Formen
Anish Kapoor im Skulpturenpark Waldfrieden
 – kunst & gut 10/22

Zufall und Zahnlücken
„Roll over Beethoven“ im Skulpturenpark – Musik 04/20

Wesen aus Heavy Metal
Joan Miró in Wuppertal – Kunst 10/19

Abenteuer der abstrakten Kunst
Imi Knoebel im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 09/17

Heiter und glücklich in den Frühling
Das könnten fröhliche Entdeckungen in den kommenden Tagen sein – Prolog 03/17

Kunst.

HINWEIS