Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
2 3 4 5 6 7 8
9 10 11 12 13 14 15

12.580 Beiträge zu
3.810 Filmen im Forum

Anthony Caro. Sculptures. Skulpturenpark Waldfrieden, © VG BildKunst Bonn 2024, Anthony Caro Centre
Foto: Thomas Mau

Bodenständig dynamisch

08. April 2024

Anthony Caro im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 04/24

Den flüchtigen Lichtimpulsen von Mischa Kuballs winterlicher „Light_poesis“-Installation im Park folgt nun ein skulpturales Schwergewicht: tonnenschwere Großskulpturen des britischen Bildhauers Anthony Caro (1924-2013). Seinen festen Platz in der Kunstgeschichte errang Caro durch monumentale Gebilde, die nichts Konkretes, eindeutig Fassbares zeigen – aber stark wirken. Industriell vorgefertigte Stahlteile, Metalle und Schrott als künstlerisches Material zu nutzen, dynamische Formen ohne figürliches Vorbild zu gestalten und Skulpturen statt auf Sockeln direkt neben Betrachtern auf dem Boden zu platzieren: Das war in den frühen 1960ern in Europas Kunst radikal, eine Befreiung und Erweiterung des Skulpturenbegriffs. Und Caros Verdienst.

Für Londoner Kunststudenten wie ihn war Caro Anfang der 1970er Jahre eine Art „Gott“, schwärmt Skulpturenparkleiter Tony Cragg. Ein Professor, der Generationen junger Bildhauer prägte. Nun würdigt Cragg den verehrten Wegbereiter posthum zum 100. Geburtstag mit einer aufwendigen Retrospektive: elf raumgreifende Objekte,Leihgaben des Anthony Caro Centre, London,aus allen Schaffensphasen des langen Künstlerlebens fanden Platz im Skulpturenpark, zwei davon im Außenraum. Die fast drei Tonnen schwere Bodenarbeit „Scorched Flats“ aus gerosteten Stahlplatten (1974) lagert vor der mittleren Halle. Das acht Meter lange „Double Tent“ aus silbrigem Edelstahl (1987–1993) steht mitten im dichten Wald, etwas beengt zwischen den Bäumen.

In der lichtdurchfluteten oberen Ausstellungshalle haben dagegen fünf Großobjekte aus unterschiedlichen Jahrzehnten vielFreiraum zur Entfaltungund Umrundung. Die früheste Arbeit von 1963 ist ein filigranes Gebilde aus farbig lackierten Stahl- und Aluminiumstangen, die funktionsfrei in den Raum tentakeln. In den frühen 1950ern, als Assistent des Bildhauers Henry Moore, hatte Caro noch figürlich gearbeitet; ein USA-Stipendium und Kontakt zur New Yorker Kunstszene gaben ihm frische Impulse. Freie Formen wie Matisses Tänzerinnen – warum sollten die nur auf flächigen Gemälden schweben dürfen und nicht auch skulptural im Raum? Mit „Month of May“ in Frühlingsfarben beweist Caro 1963 schon Dynamik in luftiger Abstraktion, „Whispering“ (1969) schraubt sich vertikal in die Höhe und „Star Flight“ aus Zinkstahl ähnelt einer explodierenden Raketenabschussrampe.

Weltbekannt und vielfach ausgezeichnet wurde Caro später für seine massigeren Werke, Stahlfundstücke, grob verschweißt, verschraubt, genietet – mal rostig, schrundig, gefaltet, verbeult und gebogen, mal elegant geschliffen, sorgfältig zusammengesteckt und farbig lackiert. Munteres Formenspiel konterkariert die Materialwucht. Das hat auch Witz, da ist Musik drin, mal eine Art Klangschale oder Trompetenrohr, mal erinnert das Objekt eher an Betonmischer, Ofen, Hütte, Turm oder andere quasiarchitektonische Konstruktionen wie das Spätwerk „Autumn Rhapsody“ (2011/12) aus leuchtgelbem Plexiglas. Unterschiedliche Assoziationen und Emotionen fliegen einem beim Betrachten zu, gerade weil Caros Objekte so vieldeutig sind, von überraschender Vielfalt und Charme, und ja, auch Leichtigkeit.

Anthony Caro: Sculptures | bis 14.7. | Skulpturenpark Waldfrieden, Wuppertal | 0202 47 89 81 20

Claudia Heinrich

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Vaiana 2

Lesen Sie dazu auch:

„Entscheidend ist, überzeugend in seiner Arbeit zu sein“
Die Wuppertaler Bildhauerin Beate Schroedl-Baurmeister ist auf der 60. Kunstbiennale in Venedig vertreten – Interview 11/24

Der Kombinator
Eduardo Paolozzi im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 10/24

Ferne Welten
Das Transorient Orchestra im Skulpturenpark Waldfrieden – Musik 08/24

In ganz neuem Licht
Mischa Kuball im Skulpturenpark Waldfrieden – Kunst 10/23

Exo-Dimensionen der Sichtweise
Andreas Schmitten im Skulpturenpark Waldfrieden
 – kunst & gut 12/22

Rituelles Blutrot auf formlosen Formen
Anish Kapoor im Skulpturenpark Waldfrieden
 – kunst & gut 10/22

Artifizielles Müllrecycling mitten im Wald
„Unklumpen“ im Skulpturenpark Waldfrieden
 – kunst & gut 07/22

Zufall und Zahnlücken
„Roll over Beethoven“ im Skulpturenpark – Musik 04/20

Wesen aus Heavy Metal
Joan Miró in Wuppertal – Kunst 10/19

Abenteuer der abstrakten Kunst
Imi Knoebel im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 09/17

Heiter und glücklich in den Frühling
Das könnten fröhliche Entdeckungen in den kommenden Tagen sein – Prolog 03/17

Zur Erinnerung
Anne und Patrick Poirier im Skulpturenpark Waldfrieden – kunst & gut 11/16

Kunst.

HINWEIS