Kein Sinn für Traditionen? In seinem Buch „Die Barbaren“ findet Alessandro Baricco das Phänomen der Kulturklage nicht nur in Lamenti zum Digitalzeitalter, sondern auch in Skepsis gegen Beethoven: Als frivol verriss ein zeitgenössischer Kritiker dessen Neunte Sinfonie. Auch die Große Fuge B-Dur stammt aus dem Spätwerk des Komponisten und bricht mit Hörgewohnheiten. Mit ihr startet im Pavillon des Skulpturenparks das Klavierkonzert der Reihe „Tonleiter“.
Mit der Fuge entschied sich Beethoven, alle Stimmen eine eigene Melodie verfolgen, aber schließlich zum Gleichklang kommen zu lassen. Er ließ ihnen schroff ihr Eigenleben, erklärt Holger Groschopp, Planer und Pianist des Programms gemeinsam mit Majella Stockhausen: „Das Resultat ist ungeheuer energiegeladen, fast manisch, bedient weder die Erwartung an klassische Ausgewogenheit noch an romantische Gefühligkeit.“
Mit Erwartungen bricht auch die Hommage „Roll over Beethoven“ von John Adams. Der Klassik-Verlag „Boosey & Hawkes” kommentiert: „Adams erweist Beethovens stark physischer, expressiver Welt seine Reverenz, indem er seine eigenen, unvorhersehbaren Musikformen aufbaut.“ Das Werk des 1947 geborenen Komponisten stellen Stockhausen und Groschopp ans Ende des Abends.
Zuvor aber das dreiteilige „Monument – Selbstporträt – Bewegung“ von György Ligeti: „Selbstportrait mit Reich und Riley (und Chopin ist auch dabei)“ ist hier der lange Titel von Stück zwei. Steve Reich und Terry Riley, Urväter der minimal music, pflegten bewusst überschaubare Strukturen, doch Ligeti ergänzt auch Irritierendes: Zufallsresultate und „Zahnlücken“ (Groschopp). Zudem baue er eine klare Reminiszenz an den letzten Satz der zweiten Chopin-Sonate ein, von der einst Schumann halb bewundernd sagte: „Musik ist das nicht.“
Bei Felix Bönigk (geboren 1993) schließlich hallen Ligeti und Adams hier und dort wider. Sein Stück „… ins Vergangene …“ ist eine Uraufführung. Groschopp: „Das extra für uns geschriebene Werk soll auch in München aufgeführt werden, aber der Wuppertaler Termin kam früher!“ Schroff, unvorhersehbar, jung. Man darf wohl versprechen: Dieses Programm ist eigenwillig.
Roll over Beethoven | geplant: Sa 25.4. 19 Uhr | Skulpturenpark Waldfrieden | 0202 478 981 20
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