Canaille du Jour sind ein Duo. Es besteht aus dem Theatermusiker Christov Rolla und seinem Kollegen, dem – wie er sich selbst bezeichnet – Kulturtagelöhner Max Christian Graeff. Gemeinsam widmen sich die Herren der schönen alten Revuekunst.Bei ihrer Interpretation des „Kleinamerikanischen Liederbuchs“ stürzen Pianist Rolla und MC Graeff, übrigens 1962 in Wuppertal geboren, über die Fallstricke des Lebens in die Abgründe des Kontinents, der als „melting pot“ Berühmtheit erreichte. Allerdings gucken die beiden auf Geschichten, die es als Mauerblümchen bislang nicht in den großen Kanon wichtiger Melodien geschafft haben, obwohl sie Zeugnis ablegen von einem bewegten Jahrhundert auf dem Zwischendeck, von Fluchten und Emigrationen, von Glückssuchern und Abenteurern, Liebesreisenden und Verbannten. Die Liederbücher der Diaspora sind immer auch Geschichtsbücher, Fotoalben, Dokumentationen von Poetik und Poesie, heißt es in der Vorankündigung. Freuen dürfen sich Zuschauer auf eine turbulente Revue, die mit Identitäten spielt, prall gefüllt ist mit Traurigkeit und Übermut, Hysterie und Sentiment und die durchdisparate Erläuterungen aus tausendundeinem Takt ergänzt wird.
Ihr Humor treibt wunderbar skurrile Blüten, und der unschuldig klingende Name täuscht. Nessie Tausendschön ist zwar lieblich anzusehen wie die feinen Gänseblümchen, die sie sich zuweilen hinters Ohr steckt, oder ihre hübschen Kleider. Aber die gelernte Zierpflanzengärtnerin und Theaterwissenschaftsstudentin, die seit vielen Jahren zum regelmäßig mit wichtigsten Preisen ausgezeichneten Personal deutscher Kabarettisten zählt, ist auf der Bühne eher so etwas wie eine gut geölte Heckenschere. So darf wohl beim aktuellen Programm „Die wunderbare Welt der Amnesie“ der gewohnt scharfe Blick auf die Geschehnisse der Welt erwartet werden.Die selbsternannte „Kapazität in Ausdruckstanz und bodenständiger Zerknirschungslyrik“schallert und singt mit ihrer markanten Stimme ebenso geschmeidig wie gekonnt über das Thema Vergessen. Auch die wohlklingende singende Säge wird zum Einsatz kommen. Ihr Fazit: Es ermöglicht uns ein sinnvolles Weiterleben nach dem Zeitungslesen, dem Steuerbescheid und den 20-Uhr-Nachrichten.
Und dann sei noch auf ein Gastspiel im März hingewiesen. Wieder einmal grüßt Kabarettist Volker Pispers‘ „Bis neulich“. Der Altmeister des Kabaretts ist seit mehr als 30 Jahren im Geschäft. Wer die manchmal etwas oberlehrerhafte Art nicht schätzt, mit der der 57-Jährige Pannen, Peinlichkeiten und unter den Teppich gekehrte Katastrophen thematisiert, bekommt in seinem Programm so etwas wie die Top 10 wichtigster Politfälle und schlimmster Miseren serviert. Gerneröffnet der Rheinländische seine Abende mit dem resignierten Eingeständnis, Kabarett sei der Ort, an dem man sich die Kritik am eigenen Lebenswandel genauso folgenlos um die Ohren schlagen lässt wie in der Kirche. Mit seinen Pointen mag er letztlich an den Missständen nichts ändern, dafür gehen seine Zuhörer irgendwie bestärkt nach Hause und haben wenigstens gut über alles Mögliche gelacht.
Canaille du Jour | Fr 13.2. 19 Uhr | Bergische VHS | www.wuppertal-live.de
Nessie Tausendschön | Sa 28.2. 20 Uhr | Kattwinkelsche Fabrik | www.kattwinkelsche-fabrik.de
Volker Pispers | Fr 6.3. 20 Uhr | Stadthalle | www.stadthalle.de
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