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Das unfaire Würfelspiel mit der Steuer
Foto: Florian Schmitz

Wer verdient, soll zahlen

23. Dezember 2014

Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt – THEMA 01/15 ARM & REICH

Ungefähr fünf Jahre ist es her, da wurde Barmen für kurze Zeit zum Fixpunkt der Finanzwelt. Damals verkaufte ein unbekannter Informant eine CD an die Steuerfahnder. Darauf gespeichert: Daten – von rund 1500 Deutschen, die vermutlich Steuern hinterzogen hatten, mithilfe von schwarzen Bankkonten in der Schweiz. Die Wuppertaler Behörde bezahlte 2,5 Millionen Euro, um der Sünder habhaft zu werden und um die Gelder quasi durchs Hintertürchen doch noch zu kassieren.

Auf einmal interessierten sich sogar die Kollegen vom Spiegel-Magazin für die Menschen in dem tristen Gebäude, Adresse: Unterdörnen 96. „Das Finanzamt Wuppertal-Barmen gilt gemeinhin nicht als Zierde deutscher Behördenarchitektur. Der graue Zweckbau aus den siebziger Jahren steht zwischen Discountern und Sanitärgeschäften an einer schmuddeligen Straße neben der derzeit stillgelegten Trasse der Wuppertaler Schwebebahn“, schrieben die Journalisten damals. Schöner ist es rund um das Gebäude seitdem nicht geworden. Aber mindestens 2012 schlugen die Fahnder aus dem Tal noch einmal zu und kauften eine weitere Schweizer Daten-CD.

Deutschland diskutierte nach 2008, als luxemburgische Informationen erkauft wurden, und 2010 erneut über die Frage, ob die Behörden die Informationen nutzen dürften, oder ob sie sich damit mit einem Verbrecher gemein machten, der Daten trotz des Bankgeheimnisses stahl. In Wuppertal machte sich ein Mann wieder an die Arbeit, der ansonsten beharrlich schwieg: Peter B., Leiter des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung. „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die Beamten aus der Fahndungsabteilung keine Interviews geben“, sagt ein Sprecher des Finanzministeriums NRW auch heute noch, und verweist auf eine Internetseite der Behörde.

 

Dort finden sich Statistiken, die die Sinnhaftigkeit des Einkaufs einer Steuer-CD durchaus rechtfertigen. 13 CDs hat das Finanzministerium NRW nach eigenen Angaben aufgekauft – für 13 Millionen Euro. Der Kaufpreis teilt sich zur Hälfte auf Bund und die Bundesländer auf. Vergleicht man die Summe mit den Einnahmen, wird deutlich, warum sich der Kauf lohnt. Laut dem Finanzministerium sind durch nachfolgende Selbstanzeigen und Bußgelder geschätzt mehr als 1,5 Milliarden Euro eingezogen worden. 7,1 Millionen Euro kommen aus Geldstrafen nach Verurteilungen, rund 500 Millionen Euro aus Verbandsgeldsbußen, 87 Millionen Euro aus der Auswertung der CDs. Die Einnahmen aus den Selbstanzeigen sollen rund 946 Millionen Euro betragen.

 

1,5 Milliarden Euro – das ist eine gewaltige Summe. Würde sie nur für einen bestimmten Zweck eingesetzt, man könnte eine Menge damit anfangen. Exakt so hoch ist die aktuelle Kreditverschuldung der klammen Stadt Wuppertal. Oberbürgermeister Peter Jung könnte von jetzt auf gleich nahezu die Schuldenfreiheit verkünden, 500 Millionen Euro fehlten noch. Man könnte damit aber auch den kompletten Haushaltsetat 2014/2015 für den Bereich Soziales auf drei Jahre hinaus sichern.

 

Die Ungerechtigkeit der Steuerhinterziehung bleibt der Knackpunkt. Werden Einnahmen verschwiegen, entgehen der Gesellschaft dringend benötigte Steuergelder. Das scheint langsam auch dem letzten klar zu werden, der unter schwarzen Konten ein Kavaliersdelikt verstand. Die Fälle eines gewissen Ulrich Hoeneß, einer Alice Schwarzer oder eines Klaus Zumwinkel haben aufhorchen lassen. Auch international ist es seit dem G20-Gipfel im australischen Brisbane zumindest nach außen hin Konsens, dass Unternehmen in Zukunft ihre Steuern dort zahlen müssen, wo sie ihr Geld verdienen.

 

Gäbe es eine konsequente Lösung, sollte jede Filiale eines Konzerns seine kompletten Einnahmen und Ausgaben dort offenlegen, wo die Filiale steht. Das wäre mit Sicherheit nicht nur bei einem aktuellen Beispiel interessant: Primark, irischer Billigtextiler, greift bereits mit beiden Händen nach dem Standort Döppersberg. Ein Investor plant, den Händler auf den neuen Bahnhofsvorplatz zu holen. Die Verträge sind noch nicht unterschrieben. Aber wenn sie kommen, ob die Iren dann zuhause oder in Elberfeld ihre Steuern zahlen müssen – wir werden sehen.

 

Wolfgang Huber, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), hat es 2013 in einem Interview mit der Zeit auf den Punkt gebracht: „Man kann nicht die Infrastruktur, den Wohlstand, die Bildungsqualität, die innere Sicherheit eines Landes in Anspruch nehmen und sich gleichzeitig der Pflicht entziehen, durch die eigenen Steuern das Seine beizutragen“, sagte Huber. Und weiter: „Die wachsende Kluft zwischen Reichtum und Armut ist erschreckend. [...] Wer viel Steuern zahlen muss, soll sich freuen, denn es beweist, dass er viel Geld verdient.“

Aktiv im Thema

www.kinderarmut-in-deutschland.de/
www.armut.de/
www.kinderarmut-hat-folgen.de/index.php
www.dksb.de/content/start.aspx

Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und choices.de/thema

Florian Schmitz

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