Die Gesellschaft ist eine Mühle, die alle zerbröselt, die sich ihr in den Weg stellen. Vielleicht sucht sich vorher noch verzweifelter Zorn gegen alles und jeden ein Ventil, in den 1950ern wurde das zu einer der ersten Jugendbewegungen und John Osbourne traf mit seinem Stück „Blick zurück im Zorn“ damals (1956) den Nerv dieser Zeit, heute haben sich die Fluchtmöglichkeiten stark erweitert, der sinnlose Zorn auf alles und jeden hat sich mal wieder auf die Straße verlagert, die Opfer sind immer noch die Schwachen, bei denen das Draufherumtrampeln leicht ist.
Im Wuppertaler Theater am Engelsgarten brauchen die Regisseurin Mirjam Loibl und der Bühnenbildner Thilo Ullrich diese Zeitbezüge nicht mehr. Sie inszenieren die Wut losgelöst von Raum und Zeit in einer Art Mühlen-Installation, ein sich immer drehender hölzerner Laufsteg, auf dem sich die Protagonisten im Kreis bewegen, über den sie klettern und den sie ab und an auch anschieben, um ihr Gegenüber schwindelig zu machen. In diesem gesellschaftlichen Teufelskreis drehen sich erst einmal der junge Jimmy Porter, Student ohne Abschluss (Alexander Peiler), seine Frau Alison (Lena Vogt) und sein Freund Cliff (Martin Petschan). Es ist das eingespielte Ritual eines immer gleichen verbalen Schlagabtausches, das sie Sonntag für Sonntag antreibt und lähmt. Jimmy scheint den beiden anderen intellektuell überlegen, er komponiert lautstark Elektronik-Jazz, kann sich sprachlich behaupten, sobald er aber argumentativ in Bedrängnis gerät wird er gewalttätig. Gegen Sachen, gegen den Laufsteg, letztlich gegen die Menschen, scheinbar voller Leidenschaft ist er dennoch unfähig den Sprung von der heroisierten Arbeiterklasse seiner Vorfahren in die neue Zeit zu schaffen, die Resignation manifestiert sich im Hass gegen die Frau und ihre Familie, obwohl die alles getan hat, wenigstens seine Existenz zu sichern. Die Dialoge bekommen durch das zentrale Drehmoment und ohne weitere Bilder oder viele Requisiten eine ausgesprochen klare Dynamik, die Regie choreografiert dazu das Verhalten der Schauspieler gegenüber dem Catwalk, der nur selten aufgehalten oder mühsam in eine andere Richtung gedreht wird.
Alison flüchtet schwanger in ihr Elternhaus, auch sie hat längst aufgegeben, ihre einzige Beziehung losgelassen, der Druck als einzige Zielscheibe des Zorns wurde zu groß. Es ist aber auch ein Fliehen vor der Resignation an sich. Nachdem Alisons Vater als Scheinriese (Stefan Walz als Colonel Redfern) das zentrale Requisit, eine rote Fender Stratocaster, für „The Great Prentender“ von den Platters (1955) gespielt hat, bleibt diese Gitarre bis zum Ende optisch im Mittelpunkt. Dort übernimmt Alisons Freundin Helena (Julia Reznik) den Platz neben Jimmy, doch auch diese Konstellation hat keine Zukunft: Alison verliert ihr Kind und kehrt zu Jimmy zurück, auch Helena macht resigniert Platz. Das letzte Bild der großartigen Inszenierung entsteht nun im Kopf. Da stehen zwei Verlierer im Teufelskreis, sie flüchten als Eichhörnchen und Bär zwar aus der grauen Realität, doch sie werden unfähig bleiben, sich zu ertragen, egal wo sie auch glauben zu sein.
„Blick zurück im Zorn“ | R: Mirjam Loibl | Fr 14.12. 19.30 Uhr, Do 10.1. 18 Uhr | Theater am Engelsgarten, Wuppertal | www.schauspiel-wuppertal.de
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